Gottfried Prölß bei einer Ausstellung seiner verschenkten Werke im Gerlinger Rathaus im Jahr 2007. Foto: Archiv/factum, M/artin Stollberg

Gottfried Prölß wohnte zwar nicht in Gerlingen, hat aber der Stadt zahlreiche seiner Werke vermacht. Er war ebenso Lehrer wie Designer und Künstler. Erinnerungen an einen vielseitigen Menschen.

Gerlingen - Er hatte zwar einen „Brotberuf“ als Lehrer, verstand sich aber auch als Künstler – der seine Werke erst verkaufte, als er in den Ruhestand ging. Er hat in der Stadt Gerlingen seine Spuren hinterlassen, nicht nur durch mehr als 100 Bilder und Zeichnungen in der städtischen Kunstsammlung. Nun ist Gottfried Prölß im Alter von 92 Jahren am Bodensee, seinem Altersruhesitz, an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben.

Sein Neffe Reinhard Prölß erinnerte sich in einem Gespräch mit unserer Redaktion an den vielseitigen Onkel. „Ich bin im selben Haus in Detmold aufgewachsen“, so Reinhard Prölß. Als engagierter Schmalfilmer habe er zahlreiche Erinnerungen in bewegten Bildern. Sein Onkel, Jahrgang 1927, habe an der Kunstakademie in Berlin studiert, wurde Assistent an der Architekturfakultät der Universität Stuttgart und von der Kammer als Architekt anerkannt. Er habe sich mit farbtheoretischen Überlegungen auseinandergesetzt – und das seit 1957 in seine Tätigkeit als Gewerbelehrer eingebracht. „Er war Grafiker und ein Künstler, der theoretisch geforscht hat“, erzählt sein Neffe, der als Architekt selbst vom Fach ist.

Abstrakt dominiert

„Er stand ständig unter Strom und hatte meist keine Zeit, wenn ich ihn in Leonberg-Warmbronn besuchte.“ Neben seiner Lehrertätigkeit drängte es den Onkel zum Malen, ebenso wie zur Vervollkommnung seiner Farbtheorie. In Fachkreisen sei sein Onkel wegen deren Publikation bekannt gewesen. „Ich wurde an meinem Arbeitsplatz im Stuttgarter Baurechtsamt öfter gefragt, ob ich mit ihm verwandt sei.“

Viele Hundert Werke hat Gottfried Prölß geschaffen: sehr abstrakte, in denen das Zusammenspiel oder der Kontrast von Formen und Farben das Motiv ergeben. Aber auch Bilder, in denen das konkrete Sujet und dessen Abstraktion ineinander verschwimmen. „Er hat gemalt bis zum Schluss“, erinnert sich Reinhard Prölß.

Ein anderer Weggefährte ist Albrecht Sellner, der frühere Gerlinger Bürgermeister. „Prölß war ein sehr vielseitiger Mensch und umfassend gebildet“, erinnert sich Sellner, „er hat die Natur in sich aufgenommen und in eine visuelle Sprache übersetzt.“ Das schlage sich auch in seinen nicht-gegenständlichen Werken nieder. Diese sprühen vor Farbe und Grafik – auch das, welches Sellner in seinem Haus aufgehängt hat. Auch darüber hat er jüngst mit dem Neffen diskutiert, als Reinhard Prölß zu Besuch kam.

Ein Farbband hat überdauert

Sellner, damals Bürgermeister, kam in den späten achtziger Jahren zum ersten Mal in Kontakt mit dem Künstler und Lehrer. Damals plante die Stadt ein Gesamtkonzept für das Erscheinungsbild der Innenstadt – der Werbeschilder wie der Fassaden. „Ich habe Gottfried Prölß zu Beginn der Stadtsanierung kennengelernt als Designer, Farbgestalter und Innenarchitekt“, erzähltSellner. Prölß habe zum Beispiel für eine Bankfiliale an der Hauptstraße das Rosa der Hauswand entworfen. Aber auch das Farbband an der Stadthalle sei von ihm – ebenso wie die Innengestaltung der Jahnhalle mit der goldfarbenen Einfassung des Bühnenkomplexes.

Gottfried Prölß hatte der Kunstsammlung der Stadt bereits 1998 knapp 150 seiner Werke vermacht: Acryl- und Ölbilder, Tuschezeichnungen und Grafiken. Fotos aus der Ausstellung von damals zeigen ihren Schöpfer sichtlich zufrieden. Etliche dieser Bilder waren in der Werkschau „Querschnitt durch die städtische Sammlung“ im vergangenen Herbst in Ungarn zu sehen – und sie sollten im März im Gerlinger Rathaus präsentiert werden. Diese Schau aber fiel wegen Corona aus.

Ausbilder für Meisterschüler

An der Gewerblichen Schule für Farbe und Gestaltung in Stuttgart-Feuerbach war Gottfried Prölß bis 1992 Lehrer – auch für Maler, Lackierer und Gestalter. „Gottfried Prölß war mehr als 35  Jahre lang ein anerkannter Fachmann im Bereich der Typografie“, fasst der Schulleiter Felix Winkler zusammen. Sein Stellvertreter habe noch mit Prölß gearbeitet. Malergesellen hätten in der Ausbildung zum Meister bis in die achtziger Jahre hinein noch selbst Schriften entworfen und typografisch umgesetzt – und seien von Prölß angeleitet worden. Winkler weist auf noch etwas hin: „Darüber hinaus ist Gottfried Prölß in seiner Lehre durch seinen künstlerisch-experimentellen Ansatz neue Wege gegangen, um beispielsweise Fassaden durch innovative Oberflächen und Farbkompositionen zu gestalten.“ Siehe Stadthalle, wenn auch schon etwas verblasst.

Gerettet vor dem Hochwasser

Die städtische Kunstsammlung in Gerlingen wurde im Jahr 1968 begründet – mit Werken von Gottfried Prölß. Im Laufe der Zeit wurden immer mehr Bilder, Zeichnungen und Grafiken angekauft und in vielen Ausstellungen präsentiert. Gesammelt wurden vor allem Künstler, die lokal oder regional bedeutsam waren und die einen Bezug zur Stadt hatten. Unter ihnen waren zum Beispiel Gustav Schopfoder Anton Stankowski. Auch Motive direkt aus dem Ort standen im Fokus – Zeichnungen aus dem einstigen Dorf ebenso wie Sujets aus der Umgebung.

Beim Jahrhunderthochwasser Anfang Juli 2010 wurde die gesamte Sammlung geflutet. Es gelang, Hunderte von Werke zu bergen und zunächst zu trocknen. Die bedeutendsten wurden restauriert. Auch dazu gab es bereits eine Ausstellung.