Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz fällt unter das Thema Gewalt und darf nicht als Kavaliersdelikt verstanden werden. Foto: dpa/Frank May

Es geht los mit anzüglichen Blicken oder Kommentaren und reicht über belästigende WhatsApp-Nachrichten bis hin zu Begrapschen und anderen körperlichen Übergriffen. Viele Frauen und auch manche Männer haben das an ihrem Arbeitsplatz schon erlebt, wie eine Umfrage zeigt.

Berlin - Rund jeder elfte Beschäftigte in Deutschland ist in den vergangenen drei Jahren im Job sexuell belästigt worden. Das zeigt eine repräsentative Befragung im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die am Freitag in Berlin vorgestellt wurde. Demnach berichteten rund 13 Prozent der Frauen und 5 Prozent der Männer davon, mit unangemessenen Kommentaren, Witzen, Gesten oder auch Berührungen und anderen Handlungen belästigt worden zu sein.

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz falle unter das Thema Gewalt und dürfe niemals als Kavaliersdelikt verstanden werden, sagte Familienministerin Franziska Giffey (SPD). Sie verwies darauf, dass niemand solche Übergriffe hinnehmen müsse. „Es gibt Gesetze und Rechtsprechung, die das verbieten.“ Arbeitgeber seien zudem dazu verpflichtet, für den Schutz der Beschäftigten zu sorgen. Die entsprechenden rechtlichen Vorgaben stehen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Mehr als die Hälfte der Betroffenen sagte der Befragung zufolge, dass die von ihnen erlebten sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz von Dritten ausgingen, zum Beispiel von Kunden, Patienten oder Klienten. Dahinter folgten Kollegen und Vorgesetzte. Am häufigsten kam es zwar zu verbalen Belästigungen wie Sprüchen. Aber fast 30 Prozent der Betroffenen gab auch an, unerwünscht berührt oder bedrängt worden zu sein. Selten seien das Einzelfälle, hieß es von der Antidiskriminierungsstelle. Die große Mehrheit der Belästigten habe wiederholt solche Situationen erlebt.

Auch Männer von dem Problem betroffen

„Viele Betroffene fühlen sich verunsichert, abgewertet und in ihrer Würde verletzt und geben sich im schlimmsten Fall selbst die Schuld daran“, sagte Giffey. Sie nannte als Beispiel Gedanken wie „Hätte ich mal nicht den kurzen Rock angezogen“. Die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Nicole Bauer, sagte, die Ergebnisse der Studie zeigten, dass immer noch Handlungsbedarf bestehe. „Sexuelle Belästigung im Arbeitskontext ist ein Thema, besonders dort, wo Machtverhältnisse eine Rolle spielen.“

Bernhard Franke, kommissarischer Leiter der Antidiskriminierungsstelle, forderte die Unternehmen dazu auf, „durch klare Richtlinien und Maßnahmen einzugreifen, damit sexuelle Belästigung verhindert wird – beispielsweise, indem sie feste Ansprechpersonen benennen und obligatorische Schulungen für Führungskräfte anbieten“.

Der Untersuchung zufolge gehen die Übergriffe mehrheitlich von männlichen Personen aus. Am stärksten betroffen sind Beschäftigte in Gesundheits- und Sozialberufen. Dort komme hinzu, dass Belästigungen durch Kunden oder Patienten teilweise als Berufsrisiko angesehen, bagatellisiert und ignoriert würden, schreiben die Autoren.

Giffey wies darauf hin, dass von dem Problem auch Männer betroffen seien: „MenToo - das ist teilweise ein großes Tabu, darüber zu sprechen.“ Sie ermutige Frauen und Männer, sich zu wehren und diejenigen, die Grenzen überschreiten in ihre Schranken zu weisen.

Die Antidiskriminierungsstelle rät Betroffenen bei sexueller Belästigung, jeden Vorfall zu dokumentieren und sich an Personal- oder Betriebsrat, Gleichstellungsbeauftragte, Vorgesetzteoder Personalabteilung zu wenden. Sollte der Arbeitgeber keine wirksamen Maßnahmen ergreifen, um die betroffene Person zu schützen, könne man als „letztes Mittel“ der Arbeit fern bleiben und weiterhin das volle Gehalt verlangen.