Diese Kampagne der Berliner Verkehrsbetriebe besitzt selbstironischen Charme. Foto: Spotlight

Das Filmfestival Spotlight zeigt Werbeclips aller Art – diesmal wegen Corona allerdings nur via Streaming. Wer sich das anschaut, kann auch für den Publikumspreis abstimmen.

Stuttgart - Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) bewerben sich in einem aktuellen Clip um einen Titel als Weltkulturerbe – und gehen dabei derart selbstironisch mit Pannen und Verspätungen um, dass man sie einfach gernhaben muss. Der Film läuft im Wettbewerbsprogramm beim Festival Spotlight, das sich am 19. und 20 März im Hospitalhof der Bewegtbildkommunikation widmet.

Die stärksten Beiträge sind traditionell jene, die in wenigen Minuten große Dramen erzählen: Ein Westberliner rettet 1964 mit seiner Isetta DDR-Bürger aus dem Ostteil der Stadt, die dahinterstehende Automarke hält sich zurück und lässt die Emotionen wirken, eine für ihre gewitzten Clips bekannte Baumarktkette zeigt die innige Romanze eines Mannes mit seiner Säge, Scheibenwischblätter retten einen anderen, den ein spuckendes Lama verfolgt. Und ein bekanntes Möbelhaus bringt Ordnung in eine kriselnde Ehe – der Spot ist auf Youtube derzeit omnipräsent.

Die Jury tagt per Videokonferenz

„Gutes Storytelling verfängt im Internet genauso wie im Kino und im Fernsehen“, sagt Peter Frey, der Intendant des Festivals. „Menschen sind Geschichtenerzähler und Geschichten-erzählt-bekommen-Woller. Gegen vielschichtige, dramaturgisch gekonnt gebaute Storys können wir uns nicht wehren, unser vegetatives Nervensystem reagiert reflexhaft auf Angst, Humor, Sex – man kann bei einem guten Witz nicht nicht lachen.“ Der Wettbewerb mit vielen Unterkategorien ist auch diesmal gut bestückt und bietet alles von Produktwerbung bis zum Kulturgut: Marleen Valien, derzeit in Ausbildung an der Ludwigsburger Filmakademie, ist mit zwei Clips für einen Verlag mit kleinen gelben Büchern vertreten, in denen sie Momentaufnahmen aus Werken von Goethe und Kafka zitiert und bebildert.

Allerdings findet Spotlight Corona-bedingt in diesem Jahr vollständig virtuell statt. „Die Fachjurysitzung wird sich in einer Videokonferenz zu ihrem Votum kommen“, sagt Peter Frey, „Und auch die Filme können wir nur im Netz zeigen. Dort können die Zuschauer auch über den Publikumspreis abstimmen.“

Der Kontrast zwischen Fachjury und Publikumspreis ist eines der Markenzeichen des Festivals. „Er war früher deutlicher, zuletzt lag das immer sehr nah beieinander“, sagt Frey. „Meine Vermutung ist: Qualität setzt sich immer mehr durch – und jeder, der erfolgreich in der Kommunikation arbeiten will, hat sich inzwischen abgeschminkt, was früher manche als Arbeitserleichterung im Hinterkopf hatten: das Publikum zu unterschätzen. Unserer Erfahrung nach ist es sehr mündig und aufmerksam.“

Herzblut soll abfärben

Konfrontiert wird es unter anderem mit den Schauspielern Fahri Yardim und Christian Ulmen, die sich in humorigen, ebenfalls sehr selbstironischen Clips gespielte Kabbeleien mit Frederick Lau liefern, wer überzeugender und emotionaler Streamingdienste anpreisen kann. Ein solcher, der auf Sport spezialisiert ist, zeigt den Basketballer Dirk Nowitzky in seiner Wahlheimat Dallas, wo er 22 Jahre bei den Mavericks spielte, obwohl er millionenschwere Angebote aus anderen Städten bekam – dieses Herzblut, so wohl die Hoffnung, soll auf den Anbieter abfärben.

Die Aufmerksamkeit eines Publikums zu gewinnen ist im Internet-Zeitalter eine komplexere Aufgabe als zu Zeiten des linearen Fernsehens, als die Zuschauer kaum eine Wahl hatten. „Man muss versuchen, das Erstsekundeninteresse zu gewinnen“, sagt Frey. Und das gelinge auch, indem „Unternehmen, Parteien und Organisationen Haltung zeigen bei großen Themen der Gegenwart“. Für solche Clips hat Spotlight eine neue Kategorie eingeführt: „Social Influence“. Da schwimmen Plastiktüten wie Quallen im vermüllten Ozean, da wird sinnlicher Schokoladen- und Kaffeegenuss jäh zerstört durch den Hinweis auf die Kinder-Erntearbeit, und der Clip einer Flüchtlings-Rettungsorganisation dauert genauso lang wie das Ertrinken eines Menschen, das man im Bild sieht. Das ist gruslig und schockierend – großes Erstsekundeninteresse garantiert.

Festival 19. und 20. März, diesmal komplett im Netz unter spotlight-festival.de