Dirc Seemann: Der Sport-1-Chefredakteur wirbt für die Programmvielfalt in seinem Sender. Foto: DOSB/Picture-Alliance

Auf Sky läuft parallel die Fußball-Bundesliga. Dennoch überträgt Sport 1 an diesem Samstag (15.30 Uhr) das Stuttgarter Regionalligaderby VfB II - Kickers aus dem Gazistadion auf der Waldau. Warum der Fernsehsender der vierten Liga eine Plattform gibt, erklärt Chefredakteur Dirc Seemann im Interview.

Stuttgart - Sport 1 zeigt über 60 verschiedene Sportarten. Auch der vierten Liga im Fußball wird dabei eine Plattform geboten. Der Schnitt liegt bei 280 000 Zuschauern. „Die Regionalliga hat einen besonderen Charme“, sagt Chefredakteur Dirc Seemann.

Herr Seemann, während den Olympischen Spielen überträgt Ihr Sender parallel zur Fußball-Bundesliga das Regionalliga-Derby VfB II – Kickers. Warum?
Die Wettkämpfe bei den Olympischen Spielen sind am Samstag um 15.30 Uhr weitgehend durch. Wir bieten ganz gezielt etwas für die Fans an, die sich für die Regionalliga interessieren und die kein Sky-Abo haben.
Aber die Konkurrenz …
…nehmen wir in Kauf. Klar hat es in der Hinrunde bei unserer Liveübertragung Kickers – VfB II am 2. September 2017 besser gepasst, als die Bundesliga pausiert hat. Aber so ein Stadtderby in der Königsklasse der Amateure ist ja auch etwas sehr Attraktives.
Normalerweise übertragen Sie die Regionalligaspiele Montagabends.
Sport 1 zeigt in der laufenden Saison so viele Regionalligaspiele wie nie zuvor. Insgesamt sind mehr als 40 Partien live zu sehen. Der Montag ist dabei unser Regelsendetermin, ja. Aber das Regionalligaspiel Wattenscheid 09 gegen KFC Uerdingen haben wir zum Beispiel am vergangenen Sonntag übertragen.
Wie viele schauten zu?
Ungefähr 200 000 Menschen im Schnitt, in der Spitze waren es 270 000.
Ist das der Schnitt?
Der liegt aktuell bei 280 000. Damit sind wir zufrieden. Im Münchner Derby TSV 1860 gegen FC Bayern II hatten wir am 22. Oktober 2017 mit 650 000 Zuschauern einen Rekordwert. In der Spitze schalteten 780 000 Zuschauer beim 1:0-Sieg der Bayern ein. Das zeigt: Die Regionalliga elektrisiert die Fans.
Solch hochbrisante Spiele sind aber nicht der Alltag in der vierten Liga.
Wir übertragen auch Partien von Vereinen, die nicht unbedingt die großen Straßenfeger sind. Wir zeigen auch den TSV Steinbach oder die SV Elversberg. Das macht den besonderen Charme der Regionalliga aus und tut der Quote nicht groß weh. Auch beim Spiel TSV Steinbach gegen Kickers Offenbach hatten wir 300 000 Zuschauer.
Nele Schenker moderiert die Spiele. Sie ist das hübsche Gesicht der Regionalliga auf Sport 1.
Ihre hohe Fachkenntnis hat sie sich zuvor auch in der TV-Arbeit für den bayerischen Fußballverband erarbeitet. Sie ist sehr authentisch, bringt die Spiele auf eine erfrischende und sympathische Art und Weise rüber. Darüber hinaus haben wir ein hochkarätiges Kommentatoren-Team mit Oliver Forster, Markus Höhner und Thomas Hermann, der auch am Samstag kommentieren wird.
Was entgegnen Sie den Kritikern aus anderen Sportarten, die Ihnen vorhalten, dem ohnehin alles überstrahlenden Fußball sogar in der vierten Liga eine Plattform zu bieten?
Ein Blick in unser Programm reicht, um zu merken, dass der Vorwurf nicht stimmt. Wir zeigen 60 verschiedene Sportarten. Natürlich bietet der Fußball die größte Fläche, wir hatten in dieser Woche außerdem den Kracher in der Youth League FC Bayern München – Real Madrid im Programm. Doch wir bringen zum Beispiel auch Eishockey, Basketball, Boxen, Judo und die Play Offs im Frauen-Volleyball mit Allianz MTV Stuttgart.
Wie sehr tut es weh, dass die Handball Bundesliga (HBL) zu Sky abgewandert ist?
Aus nostalgischen Gründen tut das weh. Wir hätten die HBL gerne behalten, doch so funktioniert der Rechte-Markt. Wir haben das aber gut kompensiert.
Ist es denkbar, dass der Handball zu Sport 1 zurückkehrt?
Wir sind immer interessiert an guten Rechten, wenn es finanziell darstellbar ist, haben beispielsweise auch die Handball-WM der Frauen im vergangenen Dezember live gezeigt. Die HBL-Rechte liegen ja noch mehrere Jahre bei Sky.
Längst ist es Usus, dass Vereine über ihr eigenes Club-TV ihre Fangemeinde mit Bewegtbildern versorgen. Wie sehen Sie dies?
Wir beobachten das sehr aufmerksam. Wir sehen das weniger als Konkurrenz, sondern gehen den Weg der Kooperation. Die Vereine versuchen, über unsere Plattform ihre Inhalte zu multiplizieren. Das bereitet uns jedenfalls keine Sorgen.
Wo steht das Sportfernsehen in zehn Jahren?
Wie Ihre Zeitung wird auch das Fernsehen immer eine Daseinsberechtigung haben. Zumal der Live-Moment eine wichtige Rolle spielt. Dass wir – auch durch die vielen Streaming-Dienste – einem ständigen Veränderungsprozess ausgesetzt sind, versteht sich von selbst. Wir werden weiter auf attraktive Angebote und große Vielfalt setzen. Als führende 360° Sportplattform im deutschsprachigen Raum sind wir mit unserem Angebot im Free- und Pay-TV sowie im Online-, Mobile-, Radio- und Social-Media-Bereich sehr gut aufgestellt.
Was schauen Sie an diesem Samstag um 15.30 Uhr?

Ich werde sehr sicher in unserem Programm unterwegs sein - und dabei auch das Regionalliga-Derby VfB II – Kickers schauen. Ich hoffe, die Rasenheizung läuft und das Spiel fällt nicht aus.

Mit Spielausfällen hätten Sie aber Ihre Erfahrungen.
Das stimmt. Vergangenen November fiel bei der Partie von 1860 München gegen Buchbach der Strom aus, in Kassel war das Spielfeld vereist. So authentisch ist eben die Regionalliga.