Daniel M., flankiert von seinen Anwälten, konnte das Frankfurter Oberlandesgericht als freier Mann verlassen. Foto: Getty Images Europe

Berichte über einen Spitzel in der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung sorgten im Mai bundesweit für Aufsehen. Nun wurde der Drahtzieher der Affäre zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Den Maulwurf hat es offenbar nie gegeben – doch was wurde aus dem Geld, das der Angeklagte für seine Anwerbung gezahlt haben will?

Frankfurt - Ein Schweizer Spitzel auf den Fersen deutscher Steuerfahnder – diese Nachricht erregte im Mai deutschlandweit Aufsehen. Doch nun kommt der Drahtzieher der Affäre, Daniel M., mit einer Bewährungsstrafe davon. Nach sechs Monaten Untersuchungshaft verließ der vermeintliche Meisterspion am Donnerstag als freier Mann das Oberlandesgericht Frankfurt.

Dabei hatte die Bundesanwaltschaft in ihrer Anklageschrift schwere Vorwürfe gegen den 54-Jährigen erhoben: Im Auftrag des Schweizer Geheimdienstes habe er einen Informanten in der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung angeheuert, um das Vorgehen der dortigen Steuerfahnder beim Kauf sogenannter Steuer-CDs auszuspionieren. Die Einschleusung des „Maulwurfs“ löste vor einem halben Jahr Empörung aus. „Man kann sich nur schwer vorstellen, dass ein solcher Agententhriller bei uns vor der Haustür abläuft“, sagte der damalige Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans (SPD).

Einen Agententhriller gab es tatsächlich. Neben M. spielt darin der ehemalige Geheimagent Werner Mauss eine wichtige Rolle – ein echter Meisterspion also. Allerdings ereignete sich diese Affäre nicht vor Walter-Borjans‘ Haustür – also nicht in NRW. Denn einen Maulwurf in der dortigen Finanzverwaltung hat es wohl nie gegeben. Das ist auch der Grund, warum das Oberlandesgericht Frankfurt die gegen M. verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten zur Bewährung aussetzte. Zusätzlich muss der Schweizer 40 000 Euro an die deutsche Staatskasse zahlen. Es ist ein unspektakuläres Urteil für eine durchaus spektakuläre Geschichte.

Der Angeklagte hat Bankdaten an Werner Mauss verkauft

Der Prozess gegen M. hat seinen Ursprung nämlich in einem anderen Verfahren: Anfang 2015 wurde der Schweizer in Zürich festgenommen, weil er Kundendaten von Banken verkauft hatte. Und zwar an Wilhelm Dietl, einen Journalisten und früheren Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND). Dietl wiederum handelte im Auftrag von Werner Mauss. Weil sich die von M. gelieferten Daten als gefälscht erwiesen, ließen die Auftraggeber den Schweizer offenbar auffliegen. Der will erst nach seiner Festnahme erfahren haben, „dass der Spiritus Rector dieser Geschichte Mauss war“.

Eine Information, die den Beschuldigten erschreckt habe, wie er in Frankfurt berichtete. „Ich befürchtete, zum Bauernopfer in einer größeren Sache von Herrn Mauss zu geraten.“ Um die Schweizer Bundesanwaltschaft zu besänftigen, habe er diese auf seine Tätigkeit als externer Mitarbeiter für den Schweizer Geheimdienst NDB hingewiesen. Tatsächlich wurde er dann freigelassen. Dummerweise landeten die Vernehmungsprotokolle aber bei seinem Mitbeschuldigten Mauss, der sie wiederum den deutschen Behörden übergab.

Zwei Aufträge für den Schweizer Geheimdienst

Von zwei Aufträgen berichtete M. den Schweizer Ermittlern: 2011 habe der NDB ihn gebeten, eine Liste mit persönlichen Daten von drei deutschen Steuerfahndern und einem Notar zu vervollständigen. Alle vier waren an dem Erwerb sogenannter Steuer-CDs beteiligt, auf denen Daten von Kunden Schweizer Banken gespeichert waren. M. übermittelte die Liste an einen Geschäftspartner in Deutschland, den Frankfurter Privatermittler Klaus-Dieter Matschke. Dessen Firma KDM beschaffte für 9800 Euro Honorar die fehlenden Daten. Über die Hintergründe der Anfrage habe Matschke nichts gewusst, beteuert M.

Im Dezember 2012 habe der Geheimdienst NDB ihn dann gebeten, einen Informanten in die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung einzuschleusen. Diesen Auftrag über insgesamt 90 000 Euro will M. erneut an Matschke weitergegeben haben. Der NDB soll M. dann 60 000 Euro in zwei Tranchen gezahlt haben. Davon behielt der Schweizer 10 000 Euro für sich, weitere 10 000 habe Matschke bekommen. Die restlichen 40 000 soll Matschke ebenfalls einbehalten haben mit dem Hinweis, sie dienten der Anwerbung des Informanten. Im Schweizer Verhör gab M. an, diese Anwerbung sei auch erfolgt – was er in Frankfurt zurücknahm. Mittlerweile glaube er, dass Matschke das Geld einfach behalten habe.

Geschäftspartner will von Maulwurf-Auftrag nichts wissen

Matschke hingegen sagt, den zweiten Auftrag habe es nie gegeben – und dementsprechend auch keine Geldübergabe. „Ich käme nie auf die Idee, so etwas zu tun“, sagte er dieser Zeitung. Zwar schickte M. ihm ausweislich der Anklageschrift im Dezember 2012 eine Mail, in der von einem Auftrag über 90 000 Euro die Rede ist. „Da ging es aber um irgendeine andere Sache, aus der dann nie etwas geworden ist“, versichert Matschke. Gerne hätte er das auch dem Gericht mitgeteilt. Doch dort wurde der Privatermittler nicht angehört. Der einzige Zeuge, der überhaupt auftrat, war ein mit dem Fall M. befasster Polizist.

Der Vorsitzende Richter Josef Bill erklärte dazu: „Durch sonstige Zeugen wäre mit Blick auf die dem Gericht bekannten Ermittlungen keine tiefergehende Aufklärung zu erwarten gewesen.“ Der Widerspruch zwischen den Aussagen des Angeklagten und seines ehemaligen Geschäftspartners Matschke interessierte das Gericht offenbar nicht. Entscheidend war für die Kammer die Auskunft, dass Matschke von dem nachrichtendienstlichen Hintergrund der Aufträge nichts gewusst habe. Zu dem gleichen Ergebnis war zuvor auch die Bundesanwaltschaft gelangt, die deshalb von einer Anklage gegen Matschke absah.

Matschke will M. wegen Rufschädigung verklagen

Der Privatermittler steht nun vor dem Problem, dass er laut Aussage des Angeklagten Geld veruntreut haben soll. Matschke will seinen ehemaligen Geschäftspartner deshalb wegen Rufschädigung verklagen. Allerdings: Warum sollte der Schweizer die Geschichte über den Maulwurf-Auftrag aufrecht erhalten, wenn sie nicht stimmt? Sie hat ihm zwar im Schweizer Verfahren geholfen, aus der Haft entlassen zu werden. Im Frankfurter Prozess aber wurde ihm schon der Versuch, einen Informanten auf die Steuerfahnder anzusetzen, als „Eingriff in den Kernbereich der staatlichen Souveränität der Bundesrepublik“ angekreidet. Wäre die Geschichte also komplett erfunden – wie Matschke sagt – hätte M. das im deutschen Prozess besser zugegeben.

Allerdings hätte ihn das in der Schweiz erneut in die Bredouille bringen können. Das dortige Verfahren wegen Datenhandels wurde nämlich offiziell nie eingestellt, wie M. in Frankfurt mitteilte. Falls der 54-Jährige der Schweizer Bundesanwaltschaft mit dem Maulwurf also einen Bären aufgebunden haben sollte, hätte er gute Gründe, das für sich zu behalten.