In der Göppinger Stadtkirche wird den Besuchern ein mehrgängiges Mahl serviert. Foto: Horst Rudel

Ob es im kommenden Jahr den Mittagstisch in dem Göppinger Kirchenschiff geben wird, ist ungewiss. Eine neue Gesetzgebung hat Hürden aufgebaut.

Göppingen - Tschüss, bis zum nächsten Jahr. Am Sonntag ist die 24. Auflage der Göppinger Vesperkirche in der Stadtkirche mit einem Abendmahlgottesdienst zu Ende gegangen. Mehr als 7700 Essen haben die 70 Ehrenamtlichen seit dem 6. Januar herausgegeben. Durchschnittlich waren täglich zwischen 11.30 und 13.30 Uhr rund 180 Besucher zu Gast. Gekocht hat die Zentralküche der Wilhelmshilfe.

Organisiert wird die Vesperkirche vom Wohnungslosenhilfeverein Haus Linde in Zusammenarbeit mit der Verbundkirchengemeinde Göppingen. Wolfgang Baumung, der das Haus Linde leitet, ist zufrieden. „Die Vesperkirche ist routiniert und reibungslos abgelaufen“, sagt er rückblickend. „Viele Leute sind Stammgäste. Es gab aber auch viele neue Begegnungen“, berichtet er. Und es seien auch in diesem Jahr wieder Menschen aller sozialer Schichten gekommen, betont Baumung.

Muss die Vesperkirche bald Steuern bezahlen?

Dass die Vesperkirche auch im nächsten Jahr ihre Pforten öffnen kann, ist sehr wahrscheinlich. Eine drohende Umsatzsteuerpflicht in Folge einer neuen Gesetzgebung hatte den Organisatoren zuletzt große Sorgen bereitet. Die Umsatzsteuerpflicht entfalle jedoch, solange die Organisatoren der Vesperkirchen keine Preise für das Essen festschreiben würden, erklärt die Sprecherin des Landesfinanzministeriums, Antje Mohrmann. Würden sie die Preise fixieren, müssten die Vesperkirchen, von denen es gut ein halbes Dutzend in der Region Stuttgart gibt, vom Jahr 2020 im Falle eines Umsatzes von mehr als 35 000 Euro sieben Prozent Steuer für alles, was an Nicht-Bedürftige ausgegeben wird, abführen. Der bürokratische Aufwand wäre enorm und würde vermutlich für viele Vesperkirchen das Aus bedeuten. Allerdings stellt Mohrmann klar, dass die Vesperkirche mit ihrem Prinzip, das Essen mit der Bitte um eine Spende zu verbinden, nicht von der neuen Regelung betroffen seien. Für sie ändere sich also nichts.

Die Göppinger Vesperkirche wird also auch weiterhin keine Umsatzsteuer bezahlen müssen. Etwa 40 Prozent der Kosten von rund 50 000 Euro für die Essen werden derzeit von den Gästen direkt getragen, der Rest wird über weitere Spenden finanziert. Gespendet werden sollten für das Menü und Kaffee und Kuchen mindestens zwei Euro. Der Selbstkostenpreis für die Menüs mit Suppe, Hauptgang, Nachtisch, Kuchen, Kaffee oder Tee liegt bei etwa sechs Euro. Allerdings betont Baumung, dass die Vesperkirche kein Essen verkaufe, sondern vielmehr Essen herausgebe und dafür um eine Spende bitte. „Es hängt nirgends ein Preisschild“, sagt er. Außerdem springe die Vesperkirche mit ihrem Essen für Bedürftige dort in die Bresche, wo der Staat versage. Hätte das Finanzamt da auch noch die Hand aufgehalten, hätte er dafür kein Verständnis.

Ob im nächsten Jahr womöglich Mitarbeiter des Finanzamts als Testesser in die Göppinger Vesperkirche kommen, um die Einhaltung der Vorschriften zu überprüfen und Preisschilder zu suchen, fragen sich die Organisatoren bereits. Sie wären jedenfalls herzlich willkommen. Der Grundsatz der Vesperkirche sei schließlich, dass Menschen mit unterschiedlichen Biografien beim Mittagessen an einem Tisch zusammenfänden und so Verständnis für die jeweils anderen Lebenswelten entwickeln, sagt Baumung. „Wir haben noch keinen weggeschickt, der zu uns gekommen ist.“ Auch die Mitarbeiter des Finanzamts bekämen also gerne ein warmes Mittagessen.