Dass ein Picknick nicht immer auf einer Decke stattfinden muss, beweist das Weiße Dinner, zu dem jeder sein Menü mitbringt. Foto: Martin Stollberg

Zünftig mit Decke und Wurstbrot, edel im weißen Outfit an der langen Tafel, aufwendig mit dem mobilen Grill oder genussreich mit Gourmetspezialitäten vom Caterer – speisen unter freiem Himmel geht immer.

Stuttgart - Beim Public Viewing von Ballett im Park gehören die Flasche Rotwein, die Käsewürfel und Salamischeiben sowie Gemüsesticks und Weißbrot einfach dazu. Am 24. Juli wird deshalb neben dem Kunstgenuss, der aus dem Großen Haus über die Großleinwand auf die Wiese am Eckensee übertragen wird, Stuttgarts größtes informelles Picknick stattfinden. Mit Decke, Proviant und Flüssigem werden die Ballettfreunde das zelebrieren, was schon in der Antike beliebt war: Essen unter freiem Himmel. Im Barock frönte der Adel diesem Genuss, und ausgerechnet im verregneten England ist er besonders populär. So feierten zum 90. Geburtstag der Queen die Briten ein Massenpicknick.

Satteltaschen für das Picknicker-Fahrrad

Der klassische, mit Stoff ausgeschlagene Picknickkorb mit Tellern, Gläsern und Besteck für zwei oder mehr Personen, mit Stoffservietten, Korkenzieher und häufig sogar einem integrierten Kühlfach, ist das ganze Jahr über einer der besonders beliebten Geschenkartikel. „Selbst zu Weihnachten“, berichtet Erika Hanikow, die Picknicker und solche, die es werden wollen, bei Tritschler berät. „Wenn Kinder dabei sind, sollte man keine Weingläser aus echtem Glas nehmen, und von den Messern sollte man keine Wunder erwarten“, sagt sie. Auch für die Radfahrer hat sie das Passende: den Picknickrucksack. Selbst Satteltaschen mit den Picknickutensilien gibt es im Handel.

Leere Körbe sind rar

Wer es lieber spartanisch haben möchte, muss suchen. So wurde der Musiker Joscha Eltrop trotz der Riesenauswahl von hellblau oder weiß lackierten, dunkel- oder hellbraun belassenen, oval oder eckigen Körben mit ihren getupften, karierten oder gestreiften Textilausstattungen, mit Henkel oder Schulterriemen, bei Erika Hanikow nicht fündig. „Ich suche einen leeren Korb, den wir für eine Kollegin zum Abschied selbst befüllen wollen“, erklärt er. Den gibt es beispielsweise bei Merz und Benzing. Und statt der fröhlich bunten Picknickdecken können Traditionalisten hier die echte englische Decke mit Nylonrückseite und einer Sitzfläche aus Fleece oder aus Tweedwolle, speziell für Herbstpicknicker, erstehen. Und wer neben den kalten Speisen aus Korb oder Kühltasche auch grillen will, kann dies fernab vom Rummel auf den öffentlichen Plätzen mit dem dreieinhalb Kilo schweren mobilen Lotus-Grill. Für den Transport steckt er in einer Tasche mit Schulterriemen. „Man sollte Buchenholzkohle verwenden, denn die qualmt nicht – deshalb ist sie auch für den Balkon geeignet“, sagt Marc Schubert, Verkaufsberater bei Breuninger.

Decke aus Tweedwolle für Herbstfans

So lässt sich die urige Tradition mit Decke und mitgebrachten Speisen immer weiter verfeinern. Die vollendete Edelvariante ist das Weiße Dinner, das es weltweit gibt und das in Stuttgart Julia Eicken organisiert. Zum Ende der Schulferien am 11. September soll es von 15 Uhr an wieder so weit sein, vorausgesetzt die Stadt genehmigt das kommerzfreie Tafeln. „Jeder bringt Tisch und Stühle sowie sein eigenes Drei-Gänge-Menü mit“, erklärt die Organisatorin. Das untrügliche Merkmal der 1988 in Paris erfundenen Aktion ist das weiße Outfit aller Teilnehmer. Das ist Pflicht, auch für die Kinder, selbst wenn sie nicht lange ganz in Weiß bleiben. „In Sydney und in Hamburg habe ich schon an einem White Dinner teilgenommen, und da waren zwischen 4000 und 5000 Leute dabei“, berichtet Julia Eicken.

Manche bringen weiße Speisen mit

Da kann die Stuttgarter Version des Edelpicknicks nicht mithalten. Dieses Mal soll es auf dem Haigst in der Meistersingerstraße stattfinden. „Ich bin überzeugt, dass sich ein breiteres Publikum angesprochen fühlen würde, wenn ich als Location zum Beispiel den Eckensee hätte“, überlegt die Organisatorin. Aber sie trägt allein das Risiko. „Nachher kommen kaum Leute, was mache ich dann?“, sagt sie. Werbung für das Weiße Dinner macht sie auf Facebook. Übrigens: Rotwein ist durchaus erlaubt. „Viele bringen aber tatsächlich sogar weiße Speisen mit“, erzählt sie lachend. „Viel Mozzarella ist dabei“, Julia Eicken.

Diesen und weit mehr als die Tomaten und das Basilikum dazu kann man sich bei Feinkost Böhm in einen Korb packen lassen – und wenn viele Personen an dem Event teilnehmen, packen Feinkostspezialisten auch zehn Körbe auf einmal.

Zwei bis drei Tage vorher sollten die Wünsche geordert werden. „Die meisten Kunden kommen in den Laden und suchen sich selbst aus, was sie haben wollen“, berichtet Böhm-Mitarbeiterin Diana Semrau. „Wir beraten natürlich, was sich eignet und was nicht“, sagt sie.

Manche mögen’s asiatisch

Aus langjähriger Erfahrung weiß das auch Petro Zoidis. Der Wirt des ehemaligen Restaurants Goldfish hat sich aufs Catering spezialisiert, und bei ihm kann sich der Gourmet-Picknicker seinen Korb mit mediterranen Speisen wie Hackbällchen, Speckpflaumen, Zucchini-Auberginenplätzchen füllen lassen oder die asiatischen Varianten mit Hähnchen im Kokosmantel, mit Frühlingsrollen oder mit Thaigazpacho und allerlei weiteren Leckereien wählen. „Es soll schon etwas Besonderes in den Korb. Eine Stulle schmieren kann ja jeder“, charakterisiert Zoidis seinen Service, den er seit drei Jahren anbietet.

Fürs Verspeisen bieten sich in Stuttgart viele Orte an. Zu den Klassikern zählen die Solitude, das Bärenschlössle, der Rosensteinpark, der Rotenberg, der May-Eyth-See, der Schlossgarten, der Park am Schloss Hohenheim und die Waldebene Ost. Wo auch immer man jedoch die Picknickdecke ausbreitet und das Mitgebrachte genießt, sollte man daran denken: Der Müll muss wieder mit zurück.