Andrea Nahles legt Partei- und Fraktionsvorsitz nieder. Foto: dpa

Mit dem Rücktritt von Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles ist die SPD am Nullpunkt angekommen. Mit dem Abgang der Groko-Befürworterin ist aber auch das Fortbestehen der Regierungskoalition unsicher, kommentiert Jan Dörner.

Berlin - Die SPD ist von einem politischen Beben erschüttert worden, das bis weit in die Bundespolitik zu spüren sein wird. Andrea Nahles zog am Sonntag die Konsequenzen aus der massiven Kritik in den eigenen Reihen und trat vom Partei- und Fraktionsvorsitz zurück. Ihr sei klar geworden, „dass der zur Ausübung meiner Ämter notwendige Rückhalt nicht mehr da ist“, erklärte sie in einer schriftlichen Mitteilung an alle SPD-Mitglieder. Damit steht auch der Fortbestand der gar nicht mehr so großen Koalition infrage.

Nahles kommt einer Demontage zuvor

Die nach dem verheerenden Wahlsonntag noch so kämpferische SPD-Vorsitzende kommt mit ihrem Rücktritt einer Demontage zuvor. Um in die Offensive zu gehen, wollte sich die seit Monaten parteiintern massiv in der Kritik stehende Nahles am Dienstag in der Fraktion zur Wiederwahl stellen. Doch viele Abgeordnete fühlten sich von ihrer Entscheidung überrumpelt, der Missmut über Nahles trat in den vergangenen Tagen offen zutage. Im schlimmsten Fall hätte ihr in der Fraktion eine demütigende Abwahl ohne Gegenkandidat gedroht. Nach einem Verlust des Fraktionsvorsitzes hätte sich die erst im April des vorigen Jahres zur Spitzenfrau gewählte Nahles auch als Parteivorsitzende nicht halten können.

Für die SPD stellt sich die Überlebensfrage

Ihre Entscheidung ist also nur konsequent. Die SPD ist allerdings am Nullpunkt angekommen: Intern zerstritten, programmatisch auf der Suche und in der Wählergunst auf historisch schlechte Werte abgestürzt, stellt sich für die einst so stolze Volkspartei inzwischen die Frage des politischen Überlebens. Dabei dürfte die Rücksicht auf die Koalition mit der Union für viele in der SPD nur noch eine untergeordnete Rolle spielen – zumal mit dem Abgang von Nahles eine entschiedene Befürworterin der Groko ab sofort keine Rolle mehr spielt. Ein Aus der Regierungskoalition ist seit diesem Sonntag kein theoretisches Gedankenspiel mehr.