Der Diakonie-Bus hat an der Jahn-Realschule gehalten. Die Schüler der neunten Klasse durften ausprobieren, wie es ist, blind und auf Hilfe angewiesen zu sein. Foto: Claudia Leihenseder

Die Diakonie Württemberg hat Werbung für das Freiwillige Soziale Jahr und für soziale Berufe gemacht – nur auf dem Pausenhof der Jahn-Realschule war dafür zu viel Trubel.

Bad Cannstatt - Schule – und was dann? Viele Jugendliche wissen auch kurz vor ihrem Abschluss nicht, was sie nach all den Jahren Unterricht beruflich machen sollen. Orientierung will die Diakonie Württemberg geben und klappert jedes Jahr mit ihrer Roadshow zahlreiche Schulen im Südwesten ab. Eine der ersten Stationen in diesem Jahr ist die Jahn-Realschule in Bad Cannstatt. Doch ganz nach Plan ist der Besuch nicht abgelaufen.

Es ist Mittagspause. Einige der Schüler stehen am Kiosk in der Schlange und warten, dass er aufmacht. Andere rennen schon über den benachbarten Sportplatz. Ein paar Unterstufenschüler trauen sich an den Infostand: „Was macht ihr da?“, fragt ein Junge mit einer Daunenjacke und hat schon die Bonbons auf dem Tisch gesichtet. Sein Freund hat die Handyputztücher mit dem Roadshow-Logo „Ran ans Leben“ bereits im Visier und nimmt sich auch schon eines.

Während Britta Künzig, Bildungsreferentin bei der Diakonie Württemberg, sowie die beiden Absolventen eines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ), Pascal Reitnauer und Lars Jahnke, an diesem Dienstagmittag auf die eigentliche Zielgruppe – nämlich die Neuntklässler der Jahn-Realschule – warten, müssen sie die mitgebrachten Werbegeschenke regelrecht verteidigen. Kaum ein Schüler interessiert sich für die tatsächlichen Informationen und Flyer; doch die Bonbons und Putztücher sind im Handumdrehen vom Infostand verschwunden.

Die Neuntklässler erfahren, wie es ist, blind zu sein

Als es sich endlich die erste von drei Gruppen der Neuntklässler mit ihrer Ethiklehrerin Julia Mandery auf den Liegestühlen unter dem aufgebauten Pavillon gemütlich macht, ist es auf dem Pausenhof so laut, dass man Britta Künzig kaum versteht, als sie mal bei den Schülern nachhakt, ob sie etwa schon wissen, wofür FSJ steht. Auch die Antworten der Jugendlichen sind kaum zu hören, als es dann um das große Highlight – den Blindenparcours – geht.

Dabei sollen die jungen Menschen am eigenen Leib erfahren, wie es ist, auf Hilfe angewiesen zu sein – und auf diesem Weg empfänglich für die Idee eines sozialen Berufs oder eines Freiwilligen Sozialen Jahres werden. Während ein Schüler eine Augenbinde und einen Blindenstock bekommt, führt der andere den zeitweise um sein Augenlicht beraubten Mitschüler über den Pausenhof. Vorbei an Tischtennisplatten, durch die abgedeckte Weitsprunggrube quer über den gut bevölkerten Sportplatz, Treppen hinauf und hinunter. Eigentlich eine gute Aktion, doch unter erschwerten Bedingungen: Kinder kreischen, Bälle fliegen durch die Luft, manch unbeteiligter Schüler versucht den „Blinden“ ein Bein zu stellen. Und trotzdem sind die Neuntklässler um eine Erfahrung reicher: „Man fühlt sich so unsicher“, sagt ein Mädchen. „So orientierungslos“, ergänzt ein Junge. „Der Lärm war unglaublich“, sagt der nächste.

Viele wissen nicht, was sie nach der Schule machen wollen

Die beiden FSJler berichten noch aus eigener Erfahrung, was sie in ihrem Freiwilligenjahr so alles zu tun haben (von der Verwaltung bis zum Möbelrücken), erzählen, wie viel Geld sie bekommen (zwischen 400 und 450 Euro pro Monat) und warum sie sich für das Jahr bei der Diakonie entschieden haben: „Ich wusste nicht, was ich nach dem Abitur machen soll“, sagt Lars Jahnke. Sein FSJ sei eine „krasse Erfahrung fürs Leben“. Er habe Zeit gewonnen für die große Entscheidung bei der Berufs- und Studienwahl. Die Neuntklässler nicken. Sieben von ihnen wissen bereits, was sie werden wollen. Die anderen überlegen noch. Ein Jahr haben sie noch Zeit.