Puschen statt Pogo: Für Kent Nielsen ist es bereits der zweite Auftritt im 5G’s Dining Room Foto: Jan Potente

Ein ehemaliger Hardcore-Punkrocker mit zwei Ukulelen – ja, das gibt’s. Kent Nielsen ist am Samstag in Remshalden aufgetreten – noch dazu in einer mehr als ungewöhnlichen Location.

Remshalden - Hausbesetzungen, Keilereien und Drogenexzesse: Kent Nielsen hat viel erlebt. Der Glatzkopf mit Tattoos, Nerdbrille und Schiebermütze ist im Dänemark der achtziger-Jahre aufgewachsen. Damals überrollte die Punkrock-Welle das scheinbar beschauliche Land im Norden, und Nielsen war mittendrin. Diese Zeiten sind für ihn nun schon seit einer Weile vorbei.

Jetzt steht er in einem Wohnzimmer in Remshalden-Geradstetten, zwischen Kücheninsel und Balkontür und vor gut 20 Zuhörern, die nicht biertriefend Pogo tanzen, sondern Chips knabbern und andächtig lauschen. Doc Martens trägt hier keiner, statt dessen haben viele die Schuhe ausgezogen. Kent Nielsen ist’s zufrieden, man merkt es ihm an; immerhin ist er inzwischen Vater. Zwischen den Songs liest er aus seinem Buch „Wie aus mir kein Tänzer wurde“.

Die Organisation läuft über die Webseite sofaconcerts.org

Das Wohnzimmer, in dem Nielsen mit seinem Mini-Verstärker und seinen beiden Ukulelen auftritt, gehört der Familie Gaupp. Seit fast drei Jahren veranstaltet sie hier regelmäßig Sofakonzerte. Alle Stühle des Hauses zusammengestellt, die Tische zur Seite geschoben – und schon wird aus der guten Stube der Gaupps der „5G’s Dining Room“. Bis zu 30 Leute finden dann dicht gedrängt hier Platz, um Pop, Folk, Rock und alles dazwischen zu hören. Jeder bringt an Verpflegung mit, was er mag, und die Gaupps spendieren Kaffee und Kölsch.

„Ich hatte die Idee mit den Wohnzimmerkonzerten im Internet entdeckt und fand sie super“, erzählt Sandra Gaupp. „Wir sind eh ein sehr offenes Haus und haben immer Leute da.“ Besucher laden die Gaupps privat oder über lokale Facebookgruppen ein. Die Organisation läuft über die Webseite sofaconcerts.org – dort melden sich die Musiker, die meist eine feste Gage oder den Inhalt eines herumgehenden Huts bekommen. Die Webseitenbetreiber erheben eine überschaubare Gebühr. Davon, dass die Künstler gerne herkommen, zeugt eine Weltkarte mit freundlichen Rückmeldungen – sie hängt auf der Toilette der Gaupps.

Bei den Künstlern und dem Publikum kommen die Sofakonzerte gut an.

Auch Kent Nielsen war schon einmal da. Er mag diese Art von Engagements: Rund zwei Drittel seiner Auftritte, erzählt Nielsen nach der Konzertlesung, seien derzeit Wohnzimmerkonzerte. „Sie sind besser bezahlt als Clubgigs“, sagt er. „Und im Gegensatz zu einem Club kommen hierher auch Leute, die sich wirklich für die Musik und die Texte interessieren.“

Für ihn, der davor in der Freiburger Ecke aufgetreten ist, geht die Tour am nächsten Tag weiter nach Gießen in Hessen. Dann zieht es ihn erst mal nach Hause. Für die Gaupps war sein Auftritt ganz sicher nicht das letzte Wohnzimmerkonzert. „Aus Asien könnten wir mal jemanden einladen“, meint Sandra Gaupp mit Blick auf die Weltkarte.