Das menschliche Gehirn verarbeitet hochdifferenziert Sinneswahrnehmungen und koordiniert komplexe Verhaltens­weisen. Foto: dpa

Die Pakistanerin Emma Alam kann sich in 15 Minuten 410 unzusammenhängende Wörter merken. Das ist ein Rekord – aber könnten das auch Normalos schaffen? Eine Studie zeigt, dass das Gedächtnis mit der Loci-Methode trainiert werden kann – mit überraschend schnellem Erfolg.

Wien - Nicht zusammenhängende Wortlisten oder Zahlenreihen können sich nur Gedächtnissportler merken? Nicht unbedingt – denn ein gutes Gedächtnis kann man sich antrainieren. Das legt eine Studie nahe, deren Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Science Advances“ publiziert wurden.

Mit der sogenannten Loci-Methode (aus dem Lateinischen: „locus“ – Ort) soll das demnach gut funktionieren. Dabei kann man sich beispielsweise den Weg zum Supermarkt einprägen und die zu merkenden Erinnerungen an Stellen im Straßenzug verpacken. Nur Übung braucht es.

Gedächtnissportler im Vergleich mit „Normalos“

Für die Studie untersuchten die Wissenschaftler um die Gedächtnisforscherin Isabella Wagner von der Universität Wien die Gehirne von Menschen mehrerer Gruppen. So wurden 17 Top-Gedächtnissportler, die die Loci-Methode beherrschten, mit 17 Probanden ähnlichen Alters und IQ-Werts verglichen, die mithilfe der Loci-Methode ihr Gedächtnis trainierten. Einbezogen wurden zudem Kontrollgruppen, die ihr Gedächtnis mit einer anderen Methode oder gar nicht trainierten.

Die Forscher fanden heraus, dass Loci-Probanden schon durch 30-minütige Trainingseinheiten an 40 Tagen innerhalb von sechs Wochen bessere und langlebigere Erinnerungen entwickelten. Mit MRT-Scans konnten die Wissenschaftler zeigen, dass ihre Gehirne infolge des Trainings effizienter arbeiteten und im Vergleich zu Kontrollpersonen mit weniger Aufwand eine bessere Leistung erbrachten.

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Schlüssel zum Erfolg: Informationen organisieren

Der Schlüssel zum Erfolg sei, neue Informationen in einem bereits bekannten Gerüst zu organisieren. „Wichtig ist, dass man eine Route wählt, mit der man sehr gut vertraut ist. Das kann durchaus eine aus der Kindheit sein. Aber auch Wege, die häufig gegangen werden, wie zum Beispiel der Arbeitsweg, passen“, erklärt Wagner. Gedächtnissportler hätten sogar mehrere Routen zur Auswahl.

Die Forscher glauben, dass durch die visuelle Vorstellung verschiedene Bereiche des Gehirns angesprochen werden und sich so Dinge besser einprägen lassen. Der Straßenzug als gedankliches Gerüst hilft dabei, Assoziationen zu schaffen. „Je außergewöhnlicher oder lustiger diese Assoziationen sind, desto besser werden sie gemerkt.“

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Gedächtnis lässt sich bis ins hohe Alter trainieren

„Mit der Loci-Methode können Menschen bis ins hohe Alter ihr Arbeitsgedächtnis trainieren. Bei Demenz – auch im Anfangsstadium – würde diese Methode aber nicht mehr helfen“, betont Richard Dodel, Demenz-Experte der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.

Nicht nur Gedächtnissportlers, auch „Normalos“ können sogenannte Gedächtnispaläste nutzen und damit ihrer Erinnerung auf die Sprünge helfen. So kann man sich beispielsweise den Weg zum Supermarkt einprägen und die zu merkenden Dinge mit Stellen entlang des Weges verbinden. Nur Übung braucht es, und Wiederholung. Rekord-Gedächtnissportler wie die Pakistanerin Emma Alam können sich Hunderte Wörter merken – Emma Alam zum Beispiel laut Guinness World Records in nur 15 Minuten 410.