Mit dem Wort Gottes verdient er Millionen: John Goodman als Erweckungsprediger Foto: Sky/HBO

Die schillernd böse Serie „The righteous Gemstones“ mit John Goodman zeigt auf Sky, wie das Milliardengeschäft der amerikanischen Fernsehprediger funktioniert.

Stuttgart - Nicht, dass die Suche nach Glückseligkeit keine Arbeit wäre. Es ist sogar eine knallharte, zuweilen sturmumtoste – und derart aufwühlend, dass die Protagonisten in „The righteous Gemstones“ schon zu Beginn buchstäblich baden gehen. Ein paar Mitglieder dieser rechtschaffenen Predigerfamilie reisen nach Fernost, um 5000 Chinesen im Hotelpool zu taufen – bis bei einem Streit der Täufer ums richtige Untertauchen die Wellenbadfunktion anspringt und für Chaos im Taufbecken sorgt.

Dieser schrille Einstieg setzt bereits den Tonfall einer HBO-Serie, die im Ursprungsland USA eher unter dem Radar lief – leider Gottes. Denn wie der Showrunner und Hauptdarsteller Danny McBride das Milliardengeschäft ultraklerikal verblendender Mega- und Fernsehkirchen neun Teile lang durch den Kakao zieht, sollte in den USA Schulfach werden. Schließlich hört Donald Trump nicht auf vernunftbegabte Stimmen aus Wissenschaft oder Politik, sondern allein auf das Wort gottesfürchtiger Populisten – wie Eli Gemstone einer ist.

Einfach mal die Kollekte geklaut

Gespielt vom unvergleichlich wuchtigen John Goodman, organisiert der Patriarch das Imperium seiner Mehrzweckhallenkathedrale im mittelwestlichen Bibelgürtel mit Sinn für Rendite. Nach jeder TV-Übertragung rattern kiloweise Dollarnoten durch die Zählmaschinen. Doch weil sein ältester Sohn Jesse (Danny McBride) mit einem Video erpresst wird, das ihn nuttenumringt beim Koksen zeigt, muss der Thronfolger ein paar Millionen der Kollekte als Lösegeld abzweigen – was einen Teufelskreis im Gotteshaus nach sich zieht.

So rast die Familie in „The righteous Gemstones“ von der Wellenbadszene an ungebremst die Eskalationsspirale abwärts, was dramaturgisch oft an eine Mischung aus „Sopranos“ und „Traumschiff“ erinnert. Weil auch die Clanboss-Kinder, vom geistig schlichten Nesthäkchen Kelvin (Adam DeVine) bis zu dessen streitsüchtiger Schwester Judy (Edi Patterson), das selbst verursachte Chaos mit jeder weltlichen Intervention weiter Richtung Fegefeuer treiben, scheint die Verdammnis der Predigersippe nur eine Frage der Zeit zu sein – zumindest theoretisch.

Angst vor diesen Typen

Praktisch jedoch bleibt die Macht weiter in den Händen derer, die damit umzugehen verstehen. Fast wünscht man sich da, dass es Machtmissbrauchende wie diese wenigstens in der Fernsehfantasie mal so richtig erwischen würde; allerdings wären das dann Pilcher-Träume. HBO-Fiktion dieser Qualität orientiert sich dagegen vorwiegend an der Wirklichkeit. Und weil die bekanntlich verrückter ist als jede Satire, macht „The righteous Gemstones“ trotz all der absurden Komik vor allem eines: Angst.

Schließlich hört die amerikanische, aber auch polnische, indonesische, brasilianische, also längst globale Realpolitik auf klerikale Staatsführerflüsterer, kommt also zusehends noch bizarrer daher als der spätbarocke Proletenglamour der Gemstones. Danny McBride tut gut daran, seine Protagonisten nicht mit jener Ambivalenz zu beehren, die Charaktere hochwertiger Serien ja erst interessant machen. Weil Menschen schlichtweg kaum böser sein können als jene, die im Privatjet namens The Holy Spirit durch die Welt fliegen, um Gutgläubige auszunehmen, ist es nämlich durchaus mal erholsam, Fernsehprediger als das darzustellen, was sie vielfach sind: als Haufen zynischer, gieriger, egoistischer, reicher, geschmacksverirrter, brandgefährlicher Abzocker, vor denen das Diesseits bewahrt werden muss. Schon deshalb ist „The righteous Gemstones“ nicht nur eine sehr unterhaltsame, sondern ziemlich lehrreiche Serie.

Verfügbarkeit: Bei Sky, wöchentlich neue Folgen