Richard Freitag jubelt über seinen ersten Sieg im Weltcup. Der 20-Jährige ist der 19. deutsche Skispringer, der ein Weltcup gewinnen konnte. Welche seiner Vorgänger am häufigsten gewannen und wie alt sie bei ihren ersten Triumphen waren? Klicken Sie sich durch unsere Bilderstrecke Foto:  

Bundestrainer Werner Schuster über seine Vorzeigespringer Severin Freund und Richard Freitag.

Stuttgart - Erstmals seit Jahren mischen gleich zwei deutsche Skispringer in der absoluten Weltspitze mit – und das soll so bleiben. „Wir haben ein gutes Fundament gebaut“, sagt Bundestrainer Werner Schuster über seine Vorzeigespringer Severin Freund und Richard Freitag.


Hallo, Herr Schuster, Richard Freitag hat am Sonntag seinen ersten Weltcup-Sieg gefeiert, dazu stand Severin Freund als Dritter auf dem Podest in Harrachov. Genießen Sie noch die Erfolge vom vergangenen Wochenende?

Dafür bleibt bei dem straffen Programm im Weltcup kaum Zeit, das Skispringen ist ein sehr schnelllebiges Geschäft. Am Wochenende stehen ja schon wieder die Springen in Engelberg an.

Die Erfolge von Freund und Freitag sind aber mehr als kurzfristige Phänomene, oder?
Der Wettkampf vom Sonntag macht mich da sehr zuversichtlich, denn es waren sehr faire Bedingungen. Um da vorne zu sein, musste man technisch und athletisch schon sehr gut springen. Also zeugt es von einer gewissen Qualität, dass unsere Springer sich da durchgesetzt haben.

Also ist die Nachhaltigkeit des Erfolgs im deutschen Skispringen endlich gesichert?
Im Skispringen weiß man nie, aber mir kommt das alles schon sehr stabil vor.

Weil sich Severin Freund und Richard Freitag in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt entwickelt haben.
Genau. Die Entwicklung von Richard Freitag ist in den vergangenen Jahren Stück für Stück nach oben gegangen. Bei der WM in Oslo ist er im vergangenen Winter mit seinem Top-15-Resultat erstmals mehr in den Fokus gerückt. Danach ging diese Entwicklung dann kontinuierlich weiter, und er hat im Sommer-Grand-Prix den nächsten Schritt gemacht. Bei Severin Freund war es ganz ähnlich, bevor er im vergangenen Jahr erstmals im Weltcup ganz oben stand.

Das zeigt: Kontinuierliche Arbeit zahlt sich aus.
Es zeigt vor allem, dass die Art und Weise, wie wir arbeiten, Hand und Fuß hat. Sie ist nicht auf Hokuspokus aufgebaut.

Stattdessen haben Sie nach den Olympischen Spielen 2010 trotz Silber im Teamspringen die Weichen im Training neu gestellt. Was genau haben Sie damals verändert?
Im Skispringen sind es immer mehrere Bausteine, die passen müssen. Unser Ziel war und ist es daher, mit akribischer Arbeit Baustein für Baustein zu verbessern.

Das bedeutet genau?
Zum Beispiel ist die Kommunikation der verschiedenen Stützpunkte untereinander schon viel besser geworden, auch wenn da noch Luft nach oben ist. Wir machen viel mehr miteinander. In Materialfragen arbeiten wir im zweiten Jahr mit dem FES (Anmerk. d. Red.: Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten) zusammen. Und auch das Athletiktraining haben wir im vergangenen Jahr umgestellt.

Wie genau?
Beim Skispringen geht es immer um diesen schwierigen Spagat: Man benötigt eine enorme Schnellkraft, darf gleichzeitig aber nicht zu viel Muskelmasse aufbauen. Also muss man aus dem Muskelpotenzial das Optimale rausholen.

Und wie schafft man das?
Der österreichische Sportwissenschaftler Harald Pernitsch hat da ein sehr gutes Muskelleistungssystem entwickelt, weshalb wir seit 2010 mit ihm zusammenarbeiten. Es geht nicht so sehr um Blocktraining und hohe Umfänge, denn dabei ist die Gefahr groß, dass das Muskelgefühl des Sportlers, also sein Feingefühl, zerstört wird. Bei uns geht es nun um viel Mischtraining und höchste Qualität. Außerdem arbeiten wir sehr individuell.

Was sich in den immer wiederkehrenden Tests äußert.
Ja, wir machen wöchentlich Krafttests, damit wir auch das Training zwischen den Wettkämpfen für jeden Springer genau steuern können und er am Wochenende auf den Punkt leistungsfähig ist. Nur so können wir am Feintuning-Rädchen drehen.

Sind die Erfolge von Freund und Freitag eine direkte Folge dieser Umstellungen?
Wir haben damit auf jeden Fall ein gutes Fundament gebaut, das die Voraussetzung für die jetzigen Erfolge ist.

Haben die beiden noch Luft nach oben?
Luft nach oben gibt es immer. Beide sind sehr athletische Springer, die im Flug noch Potenzial für Verbesserungen haben. Aber man muss vorsichtig sein, im Skispringen muss man sich immer wieder alles neu erarbeiten. Und wir müssen jetzt natürlich auch abwarten, welches Wettkampfverhalten die beiden künftig haben.

Weil sich ihre Rolle verändert?
Ja, die Popularität wird steigen.

Graut es Ihnen da bereits vor dem Rummel um die beiden bei der Vierschanzentournee Ende Dezember?
Da habe ich eigentlich keine Sorge, weil wir – wie gesagt – auf einem soliden Fundament stehen. Außerdem sind wir jetzt endlich in der Situation, die wir immer haben wollten: Wir gehen mit zwei vorqualifizierten Springern ins Auftaktspringen in Oberstdorf und können so ganz anders angreifen als in den vergangenen beiden Jahren. Das ist erst mal eine tolle Sache, und wir fahren mit viel Vorfreude zur Tournee.

Die Favoritenrolle überlassen Sie aber schon den Österreichern?
Als Mannschaft sind sie natürlich weiter das Maß der Dinge. In den Einzelspringen ist die Spitze aber eng beieinander, und wir haben schon gezeigt: Es ist möglich zu gewinnen.

Das bedeutet für die Tournee?
Erst einmal steht ja noch der Weltcup in Engelberg auf dem Programm. In Sachen Tournee hat die Vergangenheit gezeigt, dass der Gesamtsieger meist aus dem Kreis der bis dahin zehn besten Springer der Saison kommt. Von denen kann jeder das große Los ziehen – und es ist einfach schön, dass nun auch wir zwei Lose in diesem Topf drinhaben.