Ende einer Karriere: Trinh Xuan Tanh steht in Hanoi vor Gericht. Foto: ^pa

Wurde der Vietnamese Trinh Xuan Tanh vom Geheimdienst in Berlin entführt? Hanoi bestreitet das – und macht dem Ex-Karrierist jetzt den Prozess. Ihm droht die Todesstrafe.

Hanoi - Es dürfte eine filmreife Aktion gewesen sein: Am helllichten Tag sollen vietnamesische Geheimdienstagenten den früheren Chef der Staatskonzern Petrovietnam Construction, Trinh Xuan Thanh, entführt haben. Der schwerreiche Geschäftsmann sei im Juli in einem Park in Berlin überwältigt und nach Hanoi verschleppt worden. Das Regime beharrt darauf, er sei freiwillig zurückgekehrt.

Jetzt versucht seine Familie den 51-jährigen Angeklagten mit Geld vor der drohenden Todesstrafe zu bewahren. Trinh Xuan Thanhs Mutter zahlte pünktlich vor dem Beginn des Schauprozesses rund 88 000 US-Dollar an die Staatskasse des kommunistisch regierten Landes. Laut einem neu in Kraft getretenen Gesetz können Beschuldigte mit der Rückzahlung von 75 Prozent angeblich unterschlagener Summen der Hinrichtung entgehen.

Die Bundesrgierung ist empört

Offenbar ist den Angehörigen klar, dass auch die scharfen Proteste aus Berlin gegen das „allen internationalen Gesetzen widersprechende Kidnapping“ den Ausgang des Schauprozesses nicht beeinflussen werden. „Thanh hat seine Familie gebeten, freiwillig einen Teil des Geldes, das unterschlagen worden war, an den Staat zurückzugeben“, hieß es in einer Stellungnahme der Rechtsanwälte.

Der Satz deutet daraufhin, dass der Prozess kaum etwas mit dem transparenten Verfahren zu tun haben wird, dass europäische Staaten von Vietnam verlangen. Die Bundesregierung in Berlin hatte nach der mutmaßlichen Verschleppung zwei Diplomaten Hanois des Landes verwiesen. Beobachter gehen zudem davon aus, dass sich ein Freihandelsabkommen zwischen Vietnam und der Europäischen Union verzögern dürfte. Doch solche Konsequenzen ließen Nguyen Phu Trong, Vietnams mächtigen Generalsekretär der regierenden Kommunistischer Partei, bisher völlig kalt. Der KP-Generalsekretär hatte offenbar persönlich angeordnet, Thang mit allen Mitteln auf die Anklagebank in Vietnam zu schaffen. Nun ist der Angeklagte gemeinsam mit seinem Bruder und dem früheren Mitglied des KP-Politbüros, Dinh La Thang, die prominenteste Figur in einem Verfahren, mit dem die bei jungen Vietnamesen in Verruf geratene KP ihr Image aufpolieren will.

Hat der Angeklagte Millionen unterschlagen?

Konkret wird Thanh zur Last gelegt, als Chef des Baukonzerns Petrovietnam Construction – einer Tochter von Petrovietnam – umgerechnet mehr als 50 Millionen Euro zweckentfremdet zu haben. Mindestens vier Milliarden vietnamesische Dong (etwa 150 000 Euro) soll er in die eigene Tasche gesteckt haben. Zudem soll er bei einem Bauprojekt in Hanoi eine halbe Million Euro Schmiergeld kassiert haben. Die Machenschaften hatten in der vietnamesischen Bevölkerung großen Unmut ausgelöst.

KP-Generalsekretär Trong, der im vergangenen Jahr für eine zweite Amtsperiode von fünf Jahren in seinem Amt bestätigt worden war, konzentriert sich bei seinem populären Antikorruptionskampf auf Vietnams Banken und den Ölsektor. Thang wurde zum Verhängnis, dass er sich in einem 230 000 US-Dollar teuren Auto zum Büro fahren ließ – bei einem Monatssalär von 2200 Dollar.

Reporter bleiben ausgeschlossen

Vietnam bekleidet auf dem Korruptionsindex von Transparency International unter 176 Ländern Rang 113. Vietnams Nachrichtenagentur VNA bezog sich indirekt auf diese niederschmetternde Klassifizierung und lieferte in einem Bericht zum Prozessbeginn die Begründung für das Verfahren mit: „Gesetzesbrecher, die der Partei, dem Staat und dem Volk schaden, können ihrer Bestrafung nicht entkommen.“ Das Regime in Hanoi ist überzeugt, dass die EU und die Bundesregierung angesichts der ökonomischen Bedeutung Vietnams bald alle wegen der Entführung eingeleiteten Strafaktionen fallen lassen werden. Dennoch geht man auf Nummer sicher: Ausländische Reporter durften am Montag nicht in den Saal des Schauprozesses.