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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat einen Single-Vater im Kampf um seine Mitsprache bei der Sorge um sein Kind gestärkt.

Straßburg - Ledige Väter, die sich um ihre Kinder kümmern wollen, können in Deutschland auf bessere Zeiten hoffen. Nach dem Richterspruch des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte über die Diskriminierung von Single-Vätern will Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger jetzt rasch handeln.

Eine spektakuläre Verhandlung gab es nicht, auch kein Blitzlichtgewitter im Gerichtssaal - stattdessen wurde das Urteil der Straßburger Richter kurz schriftlich verkündet, auf Englisch. Was auf dem Papier eher nüchtern klingt, dürfte allerdings große Folgen für die deutsche Gesetzgebung haben: Auch unverheiratete Väter können das Sorgerecht für ihr Kind erhalten, entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Dass ledige Mütter gegenüber den Männern immer noch bevorzugt würden, verstoße gegen das Diskriminierungsverbot.

Hinter dem Fall mit der Beschwerde-Nummer 22028/04 verbirgt sich die Klage eines Mannes aus Pulheim, der seit acht Jahren vergeblich um das Sorgerecht für seine 14-Jährige Tochter kämpft. Sie war zunächst bei beiden Eltern aufgewachsen, bis sich das Paar 1998 trennte. Danach lebte das Kind erst beim Vater, anschließend bei der Mutter. Die beiden einigten sich schließlich auf einen einvernehmlichen Umgang, doch das Sorgerecht bekam der 45-Jährige nicht zugesprochen, was der Musiker als diskriminierend empfand. Nachdem er mit dem Versuch einer Verfassungsbeschwerde gescheitert war, zog er vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - und bekam nun Recht.

Für den Mann bedeutet dieser Sieg nicht nur eine persönliche Genugtuung, ihn freuen besonders die positiven Aussichten für die vielen anderen betroffenen Väter. "Die Bundesregierung kennt dieses Problem seit zehn Jahren. Ich befürchte allerdings, dass nur eine minimalistische Lösung gefunden wird, und dass das Recht der Mutter weiter im Vordergrund bleiben wird."

Tatsächlich sieht die deutsche Regelung vor, dass Single-Väter das Sorgerecht nur ausüben dürfen, wenn die Mutter einwilligt. Bei ehelichen Kindern ist das anders, da ist das gemeinsame Sorgerecht der Regelfall. Doch mit dieser Unterscheidung steht Deutschland ziemlich allein in Europa da - die meisten EU-Ländern haben das Sorgerecht an die Anerkennung der Vaterschaft gekoppelt und nicht an den Familienstand. Die Entscheidung fiel in der kleinen Kammer des Gerichts mit sechs Stimmen gegen eine, nur der deutsche Richter Bertram Schmitt äußerte eine abweichende Meinung.

Allerdings betonen die Juristen auch, dass es gute Gründe gegen die gemeinsame Sorge geben kann - "etwa wenn ein Mangel an Kommunikation zwischen den Eltern droht, dem Kindeswohl zu schaden", wie es in der Zusammenfassung des Urteils heißt. Es billigte daher ausdrücklich die deutsche Regelung, das Sorgerecht im Einzelfall durch Gerichte prüfen zu lassen. Die Bundesregierung hat nun drei Monate Zeit, Einspruch gegen das Urteil der Straßburger Richter zu erheben. Wird es von der Großen Kammer bestätigt, muss Deutschland sein Sorgerecht neu regeln. In den vergangenen Jahren wurde laut Statistischem Bundesamt jedes dritte Kind in Deutschland nichtehelich geboren, vor zehn Jahren war es noch jedes sechste Kind.

Für Väterlobbyverbände ist das ein riesiger Erfolg. "Auch für Kinder ist es wichtig, dass wir ein grundsätzliches Sorgerecht für alle Eltern bekommen", sagt Ulrich Mueller, Bundesvorsitzender des Vereins Väteraufbruch für Kinder. Er schätzt, dass rund 1,8 Millionen Väter bundesweit von der Regelung betroffen sind.

Deutlich kritischer äußerte sich der Verband alleinerziehender Mütter und Väter. "Der Umgang mit dem Kind ist ohnehin völlig unabhängig vom Sorgerecht möglich", heißt es in einer Mitteilung. "Hier sieht die Realität in der Regel so aus, dass sich ein großer Teil der Väter nach der Trennung nicht mehr für ihre Kinder interessiert."