Zur Zeit sind 1018 Mitarbeiter im Unternehmen – hier der Standort in Sindelfingen – tätig. Foto: factum/Simon Granville

Es herrscht Ebbe in der Kasse der Gemeinnützigen Werkstätten und Wohnstätten Gesellschaft (GWW). Wegen der Corona-Krise gingen die Aufträge zurück, und die Rücklagen schmolzen ab. Jetzt geht es an den Verdienst der behinderten Beschäftigten.

Sindelfingen - Es ist die Gesamt-Wirtschaftslage, die der Gemeinnützigen Werkstätten und Wohnstätten Gesellschaft zu schaffen macht. Viele Kunden der GWW haben während der Corona-Pandemie nicht produziert und fahren ihre Fertigung nur langsam wieder hoch. Andere Aufträge sind komplett weggebrochen. Auch bei den beliebten Festzeltgarnituren sind die Bestellungen zurückgegangen. Denn wenn der großen Feste auf dem Cannstatter Wasen und der Münchner Theresienwiese nicht stattfinden, werden auch weniger Garnituren benötigt. Parallel dazu sind die Ausgaben gestiegen, durch die Hygiene-Maßnahmen während der Corona-Pandemie.

Erst seit dem 15. Juni wieder offen

Erst seit dem 15. Juni sind die Werkstätten der GWW in den Kreisen Böblingen und Calw wieder geöffnet, nachdem coronabedingt drei Monate lang die Arbeit ruhte. In der Schließungszeit hat das Unternehmen mit Hauptsitz in Sindelfingen die Gehälter weitergezahlt, obwohl die Beschäftigten nicht arbeiten konnten. Dafür hat das Unternehmen seine Rücklagen eingesetzt, die jetzt allerdings abgeschmolzen sind. Nun zieht die Geschäftsleitung die Konsequenz. „Wir werden alle Ausgaben auf den Prüfstand stellen und Einsparungen über das ganze Unternehmen hinweg vornehmen“, kündigt die Geschäftsführerin Andrea Stratmann in einer jetzt veröffentlichten Pressemitteilung an. Dazu zählen auch die Löhne der behinderten Mitarbeiter. „Wir haben lange versucht, eine andere Lösung zu finden, da wir das Entgelt so lange wie möglich stabil halten wollten“, sagt Andrea Stratmann.

Denn die Behinderten-Werkstätten könnten ihre Mitarbeiter nicht einfach in Kurzarbeit schicken, wie das ein herkömmlicher Fertigungsbetrieb tun würde. „Unsere Beschäftigten benötigen eine normale Tagesstruktur und müssen weiterhin betreut und gefördert werden,“, erläutert Steffen Müller von der Pressestelle des Unternehmens. Auch die Bildungsangebote bleiben in vollem Umfang erhalten. Außerdem haben die Beschäftigten einen absoluten Kündigungsschutz, unabhängig von der wirtschaftlichen Situation.

Die geplanten Kürzungen fallen individuell verschieden aus. Dem zugrunde liegt ein relativ komplizierte Entgeltsystem. „Das Grundgehalt erhält weiterhin jeder Mitarbeiter“, erklärt Steffen Müller „aber die Leistungszulage wird gekürzt. Diese Leistungszulage errechnet die GWW in einem Punktesystem aus der Arbeitsleistung und den Anforderungen des Jobs. Viele der Betroffenen könnten die Entgeltreduzierung durch die Grundsicherung ausgleichen. Dennoch werde ein Teil der Mitarbeiter die Kürzung deutlich spüren, prophezeit die Geschäftsführerin Andrea Stratmann.

Das Unternehmen will Härtefälle prüfen

Das Unternehmen kündigt jedoch an, Härtefälle zu prüfen, um gute Lösungen für die Beschäftigten zu finden. Dass alle Unternehmensbereiche gleichermaßen sparen, darauf will die Geschäftsführerin besonders achten. Kürzungen bei geplanten Projekten, bei Sachkosten und Ersatzbeschaffungen werden ebenso überprüft, wie Personalfortbildungen, Veranstaltungen und vieles mehr. „Den Löwenanteil an Einsparungen dürfen nie die Menschen mit Behinderungen bringen“, verspricht die Geschäftsführerin.

Einen Hoffnungsstrahl sendet inzwischen das baden-württembergische Sozialministerium in Richtung der Werkstätten für Behinderte. In einer am Freitag veröffentlichten Pressemitteilung berichtet der Sozialminister Manfred Lucha, die Integrationsämter würden außerplanmäßig in diesem Jahr rund 8,6 Millionen Euro bekommen, um die Entgeltausfälle der Beschäftigten zu kompensieren.