Viel Platz für Kunst und Kultur bietet das Domo: dies demonstrierte der Förderverein bei Führungen durchs Gebäude. Foto: factum/Archiv

In einer Marathonrunde diskutieren die Räte sehr kontrovers die Standortfrage für ein Kulturzentrum. Die Fronten sind klar: Stadt, Freie Wähler und CDU stehen Grünen, SPD und Linken gegenüber. Teilweise haben sie sich angegiftet.

Sindelfingen - Seit vier Jahren diskutiert man in Sindelfingen über den Standort für ein Bürger- und Kulturzentrum. Und je länger sich die Diskussion hinzieht, desto mehr verhärten sich die Fronten. Zu beobachten war dies wieder am Dienstagnachmittag während der gemeinsamen Sitzung des Sport- und Kulturausschusses des Gemeinderats. Die Stadträte gifteten sich an. Es geht nicht nur um Fakten, sondern auch ein Stück weit um Ideologien.

Die Fronten verlaufen relativ klar: Da sind die Freien Wähler und die Christdemokraten, die das Konzept der Stadtverwaltung goutieren: der Neubau eines Bürger- und Kulturzentrums auf dem Areal der Alten AOK an der Hanns-Martin-Schleyer- Straße. 3000 Quadratmeter Fläche sieht das Konzept vor: für Vereinsräume und Büros. Grüne, SPD und Linke favorisieren den Umbau des leer stehenden Kaufhauses Domo zu einem soziokulturellen Zentrum. Auf 10  000 Quadratmetern soll nicht nur Platz für Vereine sein, sondern es soll auch Probenräume für Bands und Tanzgruppen geben, ein Café mit Blick auf die Martinskirche und ein Veranstaltungssaal für 400 Personen.

Der Eigentümer des Kaufhauses beantwortet nächste Woche die Fragen der Räte

Einzig der FDP-Rat Andreas Knapp möchte gleich beide Varianten. Denn es handle sich um zwei völlig verschiedene Konzepte. „Ein Bürgerzentrum an der AOK hat mit einem soziokulturellen Zentrum soviel zu tun wie Finnland mit dem Mittelmeer“, sagte er.

Nach vier Jahren Diskussion soll nun in diesem Monat die Entscheidung fallen. In allen Ausschüssen wird ausgiebig debattiert. Den Anfang machten Sport- und Kulturausschuss. Doch gleich am Anfang stellte der Grünen-Rat Tobias Bacherle den Antrag, die Debatte zu vertagen – der aber von der Mehrheit abgelehnt wurde. Begründung: In den Vorlagen der Stadtverwaltung fehlten klare und belegbare Zahlen. Die Grünen kritisieren vor allem die Kostenschätzungen der Verwaltung für das Domo-Konzept. Von 22 Millionen Euro beim Kauf und 40 Millionen Euro bei einer Mietlösung rechnet die Verwaltung für einen Zeitraum von 20 Jahren – gegenüber zwölf Millionen für den Neubau. „Aufklärung über die Berechnungsgrundlage kann nur der Eigentümer des Domo geben.“ Und das Gespräch mit diesem wolle man abwarten.

Tatsächlich ist der Eigentümer in der kommenden Woche eingeladen. Sowohl bei einer Sitzung der Lenkungsgruppe als auch im Verwaltungsausschuss werde er Rede und Antwort stehen, bestätigte Florian Leebmann auf Anfrage unserer Zeitung. Allerdings sind die Sitzungen nichtöffentlich. Weshalb Leebmann im Vorfeld die Zahlen nicht kommentieren möchte. Soviel aber schon: „Ich halte das Konzept des Domo-novo-Vereins nach wie vor für die beste Lösung für die Entwicklung dieser Immobilie und der Innenstadt.“

Die Stadtverwaltung und viele Stadträte sehen das anders. „Die Investition in eine uns nicht gehörende Immobilie mit nicht kalkulierbaren Folgekosten halte ich für unverantwortlich“, sagte Dieter Baltzer von der CDU. Die Stadt habe genügend andere sehr investitionsträchtige Projekte zu stemmen wie die Sanierung der Tiefgarage und vieler Schulen.

Die Stadt hält das Domo für zu groß

Weitere Argumente der Gegner: Das Domo sei mit 10 000 Quadratmetern überdimensioniert und vor allem sei die Rechtslage kompliziert. Die Stadt hatte einen externen Gutachter prüfen lassen, was bei einer Untersuchung des Gebäudes rechtlich zu beachten ist. Dessen Ergebnis: Für eine genaue Untersuchung der Bausubstanz bräuchte man die Einwilligung aller 76 Wohnungseigentümer und der zwölf Gewerbeeigentümer der Immobilie. Nach Gutachtereinschätzung ein fast unmögliches Unterfangen.

Dies wiederum versteht der Eigentümer Leebmann nicht, erklärte er unserer Zeitung . „In der Teilungserklärung ist alles genau geregelt, was man darf und was nicht.“ Zudem wisse er von den Miteigentümern, „dass diese sehr daran interessiert sind, dass in dem Gebäude etwas passiert“.

Nach mehr als zweistündiger Debatte verzichtete der Kulturausschuss auf eine Empfehlung. Erst soll das Gespräch mit Florian Leebmann abgewartet werden. Bereits heute jedoch gehen die Diskussionen weiter: im Jugend- und Sozialausschuss. Entschieden wird dann am 26. Juni.

Der FDP-Rat Knapp hat übrigens eine Lösung für beide Parteien parat: „Am 26. Juni beschließen wir den Neubau und in der kommenden Legislaturperiode mit dem neuen Gemeinderat und anderen Mehrheiten das Domo novo.“

Einst Innovation, heute Schandfleck

Idee
Die Idee zu einem Bürger- und Kulturzentrum ist beim Bürgerdialog Sindelfingen 2025 entstanden. Die Grünen griffen sie im Kommunalwahlkampf 2014 auf und brachten als mögliches

Domizil dafür das leer stehende Kaufhaus Domo ins Spiel, das als ein Schandfleck der Stadt gilt. Daraus entstand ein Förderverein. Mit dem Umbau in ein Kulturzentrum will der Verein das Gebäude beleben.

Alternative
Das Domo galt bei seiner Eröffnung 1972 als Innovation. Seit mehreren Jahren jedoch steht es leer. Da sich im Domo 76 Eigentumswohnungen befinden, kann es nicht abgerissen werden.