Stefanie Jaskolka und ihre Söhne Jaran und Sören (vorne) verteilen Flyer an Hilfsbedürftige und potenzielle Helfer. Foto: factum/Andreas Weise

In beiden Städten engagieren sich Bürger für ihre bedürftige Nachbarn. Hotlines sind täglich erreichbar.

Sindelfingen/Böblingen - Kalt ist es, und der Regen fließt in Strömen. Doch Sören und Jaran, neun und zwölf Jahre alt, sind nicht zu bremsen. Gemeinsam mit ihren Eltern Thomas und Stefanie Jaskolka verteilen sie Flyer auf dem Sindelfinger Goldberg. „Die Jungs sind hier immer als Sternsinger unterwegs. Sie wissen deshalb, wo ältere Menschen wohnen“, erklärt Thomas Jaskolka. Die Senioren erhalten Flyer mit der Nummer einer Hotline, die sie anrufen können, wenn sie Hilfe benötigen. In die anderen Briefkästen werden Helferzettel gesteckt, auf denen jeder seine Dienste anbieten kann – und diesen Zettel an den Briefkasten etwa gehbehinderter Nachbarin oder auch an das schwarze Brett im Supermarkt hängen.

Die Corona-Krise entwickelt sich zur Sternstunde bürgerschaftlichen Engagements. 1500 sogenannte Helferzettel und 1000 Flyer an potenziell Hilfsbedürftige hat die Familie Jaskolka am Wochenende verteilt. Auch andere Mitstreiter des Aktionsbündnisses „Helfen statt Hamstern – Sindelfingen hilft sich“ sind trotz Regen und Kälte unterwegs gewesen. Und die Arbeit trägt erste Früchte. „Bei uns haben sich schon 300 Helfer registriert“, sagt Dominik Ernst von der Kinderfilmakademie Sim TV, einer der Initiatoren. „Und etwa 50 Hilfegesuche sind allein über die Hotline bei uns eingegangen. Die meisten wurden bereits bearbeitet.“

Auch wer nur reden will, bekommt einen Anruf

Vor allem Hilfe beim Einkaufen sei gefragt, berichtet Ernst, auch Gänge zum Arzt, um ein Rezept abzuholen und dann gleich in der Apotheke die Medikamente zu besorgen. Die ersten Anfragen einsamer Menschen, die sich gerne am Telefon mit jemandem unterhalten würden, sind bereits bei der Hotline gelandet. „Diese Anfragen leiten wir an Pfarrer Jens Junginger von der evangelischen Kirchengemeinde weiter“, sagt Ernst. „Dort möchte man eine Seelsorge-Hotline einrichten.“

Auch über die Facebook-Seite von „Helfen statt Hamstern“ und die Website des Bündnisses vernetzen sich Menschen. Manche Hilfesuchende und Helfer finden auch über die Helferzettel zusammen. „Das läuft ohne unsere Beteiligung ab“, sagt Dominik Ernst, der gemeinsam mit Siggy Barth von der Kinderfilmakademie, dem IT-Fachmann Jens Musleh und dem FDP-Stadtrat Max Reinhardt das Kernteam des Aktionsbündnisses bildet. Viele weitere Einzelpersonen und auch Organisationen machen bereits mit. Leute wie Thomas Jaskolka sind dabei, der Pflegedienstleiter der Sindelfinger Sozialstation, der sich im Aktionsbündnis ehrenamtlich engagiert, sein Fachwissen einbringen und Kontakte vermitteln kann.

Kontakte hat das Bündnis nun auch in die Nachbarstadt Böblingen geknüpft, wo am Wochenende ein ähnliches Projekt aus der Taufe gehoben wurde. „Buntes Böblingen hilft“ heißt es, initiiert von Mitgliedern des Bündnisses Böblingen bleibt bunt. Drei Grüne – Hannah Behm, Markus Helms und Manuel Zimmerer – und der SPD-Stadtrat Florian Wahl bilden das Kernteam. „Die Parteizugehörigkeit ist zufällig“, betont Wahl. „Es machen bei uns auch CDU-Mitglieder mit und Bürger, die sich engagieren möchten.“

Helfer mit Zwangsurlaub haben viel Zeit

Am Samstag hat das Team mit Hilfe von Jens Musleh aus Sindelfingen eine Homepage erstellt. Am Sonntagabend wurde die Website freigeschaltet. Bereits am Montagmittag hatten sich laut Manuel Zimmerer 40 Helfer registriert. „Und auch die ersten vier Anfragen sind bereits eingegangen. Da ging es um Einkaufshilfen und Apothekenbringdienste.“ Zimmerer hat nun viel Zeit, Helfer und Hilfsbedürftige zu koordinieren. Als Außendienstler ist er im Moment im Zwangsurlaub – wie viele andere Ehrenamtliche auch. „Es ist schön, wenn man diese Zeit für eine sinnvolle Aufgabe nützen kann“, sagt Zimmerer.

Erreichen kann man Helfer wie in Sindelfingen über eine Telefon-Hotline, die täglich, auch am Wochenende, von 9 bis 19 Uhr besetzt ist. „Da engagieren sich auch Leute, die selbst zur Risikogruppe gehören und deshalb lieber zuhause bleiben“, berichtet Florian Wahl.

So richtig ins Rollen kommen werde die Aktion vermutlich erst in den kommenden Wochen, meint er. „Im Moment haben die meisten noch Vorräte zuhause:“ Zudem rechnet er damit, dass sich mit der Zunahme von Infizierten immer weniger Menschen aus den Risikogruppen zum Einkaufen trauen.