Martina Eisenreich (Zweite von links) unterhält mit ihrem Quartett von Poppig bis besinnlich. Foto: Martin Bernklau

Das Martina Eisenreich Quartett spielt eine gefällige Mischung aus Pop und Weltmusik. In der überfüllten Leonhardskirche sind die zahlreichen Zuschauer mit der Musik ins Neue Jahr gerutscht.

S-Mitte - Für einen Silvesterabend schien es keine schlechte Alternative zu Comedy-Blödelei, Dinner for One und Stimmungsgedudel. Was die Geigerin Martina Eisenreich mit ihrem Quartett anbot, zog so viele Menschen in die Leonhardskirche, dass es kurz vor Beginn keine Karten, jedenfalls keine Sitzplätze mehr gab. Ein wenig festlich, ein wenig klassisch, aus allen einschlägig verehrten Winkeln der weiten Ethno-Welt versorgt, poppig, besinnlich und sehr, sehr gefällig war das.

Neben der Solistin mit ihrer elektrisch verstärkten Geige, feuerrotem Haar und schwarzem Glitzerkleid zupften der Gitarrist Christoph Müller und Kontrabassist Stephan Glaubitz ihre auf viel Volumen, aber ohne lärmige Wucht fein ausgesteuerten Instrumente. An der Seite saß, stand und sprang Wolfgang Lohmeier inmitten seiner recht aufwendigen Batterie von teils exotischer Percussion, die er mal ruhig meditativ, mal mit fast schon choreografierter großer Geste und noch mehr Klangsinn bediente. Der erste Titel des Abends, „Il Fatto Santo“, klang zwar in fantastischer Vieldeutigkeit italienisch, fiel musikalisch aber bald eher in die Diktion von jiddischer Klezmer-Musik, auch die „Contes de Lune“, also Märchen vom Mond. Den herrlichen Mischmasch, den sich das Quartett aus aller Herren Ecken zusammenklaubt, machte „Miserlou“ am deutlichsten. Im Programm als „alte Weise aus dem osmanischen Reich“ ausgewiesen, ist sie tatsächlich vom Balkan bis zum arabischen Orient verbreitet, wurde aber in der Dick-Tale-Version als Titelmusik für „Pulp Fiction“ zum Welthit.

In die Tiefen der russischen Seele

Dann kam mit „Tante Käthe“ die Hommage von Stephan Glaubitz an seinen Vorfahren und an Onkel Ewald, den Hamburger Kellner. Auch diese eigenartige Adaption von Schlager und Barmusik aus den Sechzigern wirkte vor allem deshalb so gelungen, weil sich alle vier Musiker als höchst versierte Instrumentalisten zeigten und aus dem wilden Stil-Gewürfel doch irgendwie allmählich eine Art eigener Sound herauskam. „Traditional“ war das Zauberwort, das dann auch noch in die Tiefen des russischen Raums und der russischen Seele führte, ins archaisch keltische Irland und ein paar Mal ins jiddische Schtetl zum Klezmer. Oder mit Werner Richard Heymanns „Liebling, mein Herz lässt dich grüßen“ zum Schlager der Weimarer Goldenen Zwanziger.

Empfindliche Naturen hätten an Eisenreichs einleitender Geschichte zum Stück „Tsagaan Subraga“ leicht rassistische Untertöne heraushören können. Denn das Szenario von den gemeinsamen Stunden mit einer vielköpfigen mongolischen Sippe in der winzigen Garderobe bei einem Weltmusik-Festival in Nürnberg bediente gängige Klischees von den edlen Wilden aus der Steppe, die doch nicht so fremd und bedrohlich sind, wie sie wirken. Nicht zuletzt, weil sie so wundervolle spirituelle Schamanen-Musik machen.

Sauber gegeigt und gekonnt phrasiert

Nach dem ersten Abschnitt mit sphärischen Tönen und Flageoletts, die man sich gut in einer Nomaden-Jurte mit Pferdekopfgeigen und Obertongesang vorstellen mochte, gab es einen überraschenden Wechsel. Christoph Müller zupfte unverkennbar die ersten zart poetischen Takte, mit denen Jimmy Page die Hardrock-Ballade „Stairway to Heaven“ von Led Zeppelin einleitete. Über seine Gitarren-Arpeggien legte Martina Eisenreich eine ihrer geschmeidig gefühlvollen Melodien. Das war schon deutlich mehr als ein respektvolles Zitat, das war „leider nur geklaut“ – um die Prinzen zu zitieren – und wollte auch gar nicht so besonders gut zur Mongolei passen. Aber schön war es doch, natürlich.

Martina Eisenreichs Violinspiel wirkte zwar soundtechnisch etwas aufgemotzt, aber sie geigte sauber und phrasierte gekonnt. Den Arrangements ihres Quartetts war anzuhören, dass sie vor allem Film-Tracks komponiert und deshalb flexibel vielerlei Formen und Einflüsse umsetzen kann. Vielleicht war das alles etwas glatt, etwas zu geschmeidig. Das begeisterte Publikum aber fühlte sich mit einem gefälligen Jahresausklang samt einem Hauch weltläufiger Spiritualität beschenkt.