Angesichts des schärferen Wettbewerbs und des Umbruchs in der Branche müsse sich die europäische und deutsche Bahnindustrie neu aufstellen. Foto: dpa

Die chinesische Konkurrenz bringt Siemens und Alstom beim Zugbau zusammen. ICE und TGV werden künftig aus derselben Hand gefertigt. Für die Fusion gibt es viel Zustimmung.

München/Paris - Im zweiten Anlauf haben Siemens und Alstom doch noch zueinander gefunden: Mit ihrer deutsch-französischen Zugfusion treiben die Unternehmen die lange erwartete Konsolidierung in der Branche voran. Im Himmel wird die Hochzeit nicht geschlossen - dafür ist das Wettbewerbsumfeld mit dem neuen Riesen-Konkurrenten CRRC aus China zu hart. Trotzdem wird der Zusammenschluss als vernünftig gelobt und soll auch den Segen der Regierungen dies- und jenseits des Rheins haben.

Seit Jahren schon weist Siemens-Chef Joe Kaeser auf die Notwendigkeit von Zusammenschlüssen in der Branche hin. Bereits 2014, beim Übernahmepoker um Alstom gegen den US-Rivalen General Electric, war eine Zug-Fusion mit den Franzosen im Gespräch. Damals sahen Arbeitnehmervertreter den Plan noch kritisch - doch heute zeichnet sich deutlich ab, dass die drei europäischen Hersteller Siemens, Alstom und Bombardier auf Dauer allein aufgeschmissen wären gegen die Wettbewerber aus Fernost. Selbst der Kunde Deutsche Bahn streckt vor Ort schon die Fühler nach günstigen Komponenten der Chinesen aus.

60.000 Mitarbeiter weltweit

In den Verhandlungen haben sich Unternehmen und Arbeitnehmervertreter nun auf einen Kompromiss geeinigt, der nicht nur die Mitbestimmung in dem fusionierten Unternehmen absichern soll, sondern auch vierjährige Standort- und Beschäftigungsgarantien enthält. Dass man danach um gewisse Einschnitte wohl kaum herumkommen wird, ist auch den Arbeitnehmern klar. Alstom und Siemens mit zusammen weltweit rund 60 300 Beschäftigten in dem Geschäft sind in ähnlichen Märkten unterwegs - und haben bei ihren Produkten sowohl Überschneidungen als auch Ergänzungen.

Einsparpotenziale könnten sowohl im Einkauf als auch im Vertrieb und Projektmanagement zu heben sein - das könnte nach dem Ende der Beschäftigungsgarantien auch Stellenabbau nach sich ziehen - schon kursieren erste Schätzungen von rund 3000 Jobs, die dann ins Wanken kommen könnten. Siemens beschäftigt in Deutschland rund 13 500 Menschen im Zuggeschäft, vor allem an den Standorten Krefeld und Braunschweig sowie unter anderem in München-Allach, Erlangen und Berlin. Bei Alstom sind es in Deutschland rund 3000 Beschäftigte, davon arbeitet ein Großteil in Salzgitter.

Bei der IG Metall hebt man dennoch die Chancen des Zusammenschlusses hervor. Angesichts des schärferen Wettbewerbs und des Umbruchs in der Branche müsse sich die europäische und deutsche Bahnindustrie neu aufstellen, erklärte IG-Metall-Vorstandsmitglied und Siemens-Aufsichtsrat Jürgen Kerner nach Bekanntgabe der Fusionsentscheidung. „Der Zusammenschluss von Siemens und Alstom kann ein Schritt in diese Richtung werden.“

Französisches Aushängeschild in deutschen Händen

In der französischen Presse wird der Deal teilweise als „delikat“ bezeichnet, „Le Figaro“ sprach von einer „bitteren Pille“. Schließlich ist der von Alstom produzierte Hochgeschwindigkeitszug TGV ein industrielles Aushängeschild des Landes, das damit in deutsche Hände kommt. Zumal die frühere Gasturbinensparte von Alstom erst vor wenigen Jahren an den amerikanischen Großkonzern General Electric verkauft wurde.

Und die Fusion weckt auch Ängste vor einem Verlust von Arbeitsplätzen. Auch die Regierung hat sich eingeschaltet, um auf einen ausgewogenen Deal zu pochen: Der Staat werde darauf achten, dass es eine „Hochzeit unter Gleichen“ sei, sagte Wirtschafts-Staatssekretär Benjamin Griveaux. Genau das hoben die beiden Partner denn auch am Vorabend bei der Bekanntgabe der Fusionsentscheidung hervor.

Bei der wichtigsten Alstom-Gewerkschaft CFE-CGC hält man einen Zusammenschluss mit Siemens oder Bombardier zwar für notwendig, um der chinesischen Konkurrenz entgegenzutreten. „Wenn man eine ausreichende Schlagkraft will, ist eine Neuordnung unumgänglich“, sagte der Gewerkschafts-Koordinator Claude Mandart der Deutschen Presse-Agentur.

Doch die beiden Bahn-Unternehmen seien „komplett symmetrisch“ - „das ist exakt das Gleiche auf der Seite von Siemens und auf der Seite von Alstom“. Ziel bei solchen Zusammenschlüssen sei es, Synergieeffekte zu finden - und das werde auf längere Sicht zwangsläufig zum Abbau von Arbeitsplätzen führen. Die Franzosen fürchten, dass sie dabei den Kürzeren ziehen, wenn Siemens künftig wichtigster Aktionär bei Alstom ist. Die Deutschen wüssten, wie sie ihre Industrie verteidigten, sagte Mandart. „Das erklärt ein wenig unsere Ängste.“