Grenzenloser Jubel – das Mercedes-Team ist nicht zu schlagen. Foto: AFP/MIGUEL MEDINA

Mercedes hat in Imola zum siebten Mal nacheinander die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft – das ist Rekord. Was macht das Team so stark?

Stuttgart - Die Rückkehr der Formel 1 nach Imola ließ einen Einblick in die Familienplanung von Lewis Hamilton zu. Wer dem 35 Jahre alten Engländer schon ein Junggesellenleben prognostizieren wollte, wo doch sein zwei Jahre jüngerer ehemaliger WM-Rivale Sebastian Vettel drei Kinder hat, der wurde eines Besseren belehrt. „Davon werde ich irgendwann meinen Enkeln erzählen“, sagte Hamilton nach dem Imola-Gastspiel und schloss damit Familienwünsche nicht aus.

Was war passiert? Der Brite gewann sein 93. Formel-1-Rennen, aber das war es nicht. Nach dem Sieg vor dem Teamkollegen Valtteri Bottas sicherte sich Mercedes zum siebten Mal nacheinander die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft und überbot damit eine weitere Bestmarke von Michael Schumacher und Ferrari. „Das ist der Geist dieses Teams, ich bin dankbar, ein Teil davon zu sein“, meinte Hamilton, und auch der Teamchef Toto Wolff befand sich nach dem ersten WM-Titel in dieser sonderbaren Corona-Saison ganz im Glück. „Das ist ein riesiger, stolzer Moment“, sagte der Österreicher.

Die Dominanz von Mercedes seit einigen Jahren ist beeindruckend. Dass es zu solch einer imposanten Ära kommen würde, ahnte der ehemalige Formel-1-Patron Bernie Ecclestone bereits vor sieben Jahren. „Als man 2014 die Hybridmotoren einführte, sagte ich, dass die Regelhüter wahnsinnig seien, weil Mercedes alles niedermachen werde“, sagte Ecclestone der Schweizer Zeitung „Blick“. Der Ex-Boss konnte sich also schon ausmalen, was passieren würde. Eine unfassbare Dominanz.

Der große Vorteil

Die kommt aber nicht von ungefähr. Das schon sehr viel weiter entwickelte Hybridsystem von Mercedes brachte am Anfang einen gewaltigen Vorsprung. Doch hat das Team in den Folgejahren auch nie nachgelassen und die Systeme immer wieder verbessert. Ohnehin gehört es zur Philosophie von Toto Wolff und seiner Mannschaft, immer alles zu geben. Wenn in einem Rennen Fehler passieren, wird tagelang daran gearbeitet, diese abzustellen. Wolff und seine Leute haben sich zu keinem Zeitpunkt ausgeruht, obwohl sie es sich durchaus mal leisten konnten.

Auch die Topingenieure, die Mercedes beschäftigt, machen das Team so stark. Der Technische Direktor James Allison ist zuständig für Auto und Aerodynamik und ein erfahrener Formel-1-Haudegen. Er fing bei Benetton 1991 an, war ab 2000 fünf Jahre lang während der großen Ferrari-Ära in Mugello angestellt, dann führte sein Weg zu Renault. Seit 2017 ist er bei Mercedes. Auch der Motorenchef Andy Cowell genießt in der Branche einen exzellenten Ruf.

Diese Mannschaft immer wieder ans Limit zu treiben, das gelingt Toto Wolff. Seine offene, österreichisch charmante, aber auch bestimmende Art schafft ein positives und produktives Klima. Inspiration und der stete Drang, ans Limit zu gelangen – das macht Mercedes aus. Dieses Streben kam 2014 mit Wolff in die Mannschaft, der um keinen Preis verlieren will und mit einem enormen Ehrgeiz ausgestattet ist. Einmal gewann Hamilton – doch ärgerte sich der Teamchef, statt sich mit seinem Piloten zu freuen. „Ich habe Lewis am Funk nicht einmal gratuliert, weil ich so sauer über unsere Leistung bin. Ich muss mich erst sammeln“, polterte Wolff damals drauflos. Die Reifen an Hamiltons Auto funktionierten nicht wie gewünscht – das ärgerte den Chef maßlos.

Den nächsten Rekord vor Augen

Toto Wolff verlangt von sich und jedem einzelnen Mitarbeiter stets das Maximum. Immer. Bei jedem Rennen. Die Freude über Siege währt bei ihm nie lange, weil der Blick schon zur nächsten Herausforderung geht. Der folgende Grand Prix findet in zwei Wochen in Istanbul statt. Hamilton kann dort vorzeitig zum siebten Mal Formel-1-Weltmeister werden – so wie Michael Schumacher. Er hat zwar bei Mercedes seinen Vertrag noch nicht verlängert, doch sieht es so aus, als wollten er und Wolff diese ohnehin schon erstaunliche Ära mit dem achten WM-Titel krönen.

Wenn dieser Rekord gelingt, benötigt Lewis Hamilton eine Menge Winterabende, um seinen Enkeln alles zu erzählen.