Leoluca Orlando, der Bürgermeister von Palermo Foto: AFP

Das Sicherheits-Gesetz von Innenminister Matteo Salvini fördert nur die Kriminalität, meinen Kritiker.

Rom - Unmenschlich und verfassungswidrig“ – Leoluca Orlando, der Bürgermeister von Palermo, findet am Mittwoch in Rom deutliche Worte für die Migrationspolitik von Innenminister Matteo Salvini. Dieser hatte Ende November vergangenen Jahres sein so genanntes Sicherheits-Dekret durch das Parlament gedrückt. Doch viele in Italien fürchten, dass dadurch nicht die Sicherheit, sondern vor allem die Kriminalität in Italien gefördert wird. „Ich nenne das ein Unsicherheits-Dekret“, so Orlando.

Mit dem neuen Gesetz wird die Aufenthaltsgenehmigung aus humanitären Gründen, ein Status der begrenzten Duldung, quasi abgeschafft. Mit dieser wurde bislang Migranten in Italien, die kein Recht auf internationalen Schutz oder Asyl haben, eine Grundversorgung gewährleistet. Mit dem Dekret des Innenministers verlieren viele dieser Migranten nun fundamentale Rechte: Sie können in den Kommunen keinen Wohnsitz mehr beantragen, was Einschränkungen nach sich zieht: So haben sie dann beispielsweise kein Recht auf medizinische Behandlungen, Kinder können nicht zur Schule gehen und auch eine Arbeitsgenehmigung gibt es nur mit einem Wohnsitz.

Daher die Angst der Salvini-Kritiker: Sie fürchten, dass es durch das Dekret noch mehr Illegale geben wird, die Schwarzarbeit zunimmt und die Zahl derer, die zu Hungerlöhnen auf Erntefeldern arbeiten, weiter steigt. Laut Orlando sind rund 120 000 Migranten in ganz Italien von den neuen Regelungen betroffen, christliche Verbände sprechen von 140 000. „Diese Menschen werden von einem Tag auf den anderen zu Illegalen, zu Unsichtbaren“, kritisiert Orlando das Gesetz von Salvini.

In Palermo werden die neuen Reglen nicht umgesetzt

Der Bürgermeister von Palermo, hochengagiert auch im Kampf gegen die Mafia, gilt weit über Italien hinaus als Vorkämpfer einer liberalen Migrationspolitik. Der Jura-Professor, der unter anderem in Heidelberg studiert hat, wurde bereits zum fünften Mal zum Bürgermeister von Palermo gewählt. 2015 hat er die „Charta von Palermo“ verfasst, einen Appell, dass sich jeder Mensch dort niederlassen darf, wo er möchte. Fragt man Orlando, wie viele Migranten es in Palermo gibt, erhält man die Antwort: Null. Jeder Migrant, der nach Palermo kommt, werde Bürger der Stadt, erklärt Orlando.

Von den Medien unbeachtet hatte Orlando am 21. Dezember eine offizielle schriftliche Anweisung an die Mitarbeiter seiner Stadtverwaltung in Palermo ausgegeben, das Gesetz in den Punkten, die die Kommunen betreffen, nicht zu vollstrecken. Migranten sollen in der Hauptstadt der Region Sizilien weiter ihren Wohnsitz registrieren können und damit den Zugang zur Grundversorgung behalten.

Zur Jahreswende wurde Orlandos Vorstoß dann doch publik. Etliche Bürgermeister haben sich dem Appell ihres Amtskollegen bereits angeschlossen. Darunter unter anderen die Stadtherren von Neapel, Mailand, Florenz, Bari und Bologna. Solidaritätsbekundungen kommen sogar aus Deutschland: Düsseldorfs Bürgermeister Thomas Geisel schrieb an Orlando, es sei schön zu wissen, „dass in Italien zumindest noch ein paar unerschrockene Bürgermeister die Fahne der Zivilisation hochhalten gegen die Barbarei von Salvini.“ Düsseldorf ist die Partnerstadt von Palermo.

Regionen gehen vors Verfassungsgericht

Innenminister Salvini, der Chef der rechten Lega, reagierte gewohnt patzig auf den Widerstand der Kommunalpolitiker. Orlando hofft nun darauf, von Salvini vor Gericht gezerrt zu werden. Der Grund: Bürger, selbst Bürgermeister, können in Italien nicht von sich aus das Verfassungsgericht anrufen. „Nur wenn ich selbst vor Gericht stehe, kann ich das Gesetz im Prozess als verfassungswidrig anfechten“, so Orlando.

Zu Hilfe kommen den Bürgermeistern aber bereits die Gouverneure einiger Regionen, denn diese können eine Verfassungsbeschwerde einlegen. Die Regionen Toskana, Umbrien, Basilikata und Piemont haben beschlossen, diesen Weg zu gehen.