US-Außenminister Mike Pompeo: die Nato ist nicht am Ende. Foto: dpa/Sven Hoppe

US-Außenminister Mike Pompeo weist auf der Münchner Sicherheitskonferenz den Vorwurf zurück, die USA verweigerten sich der Zusammenarbeit in einer internationalen Gemeinschaft.

München - Marschiert der Westen noch gemeinsam in eine Richtung? Halten Nordamerika und Europa zusammen, während Russland vielerorts in Konflikten mitmischt und China zur wirtschaftlichen, politischen und militärischen Supermacht dieses Jahrhunderts aufsteigt? Das ist die zentrale Frage der Münchner Sicherheitskonferenz – zurecht, wie die Rede von US-Außenminister Mike Pompeo am Samstag zeigte.

Der beschrieene Tod der transatlantischen Partnerschaft sei „grob übertrieben“, sagte Pompeo. „Der Westen gewinnt. Wir gewinnen zusammen.“ Ohne Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Namen zu nennen, nahm Pompeo mit seinen Äußerungen Stellung zu der kritischen Eröffnungsansprache des Staatsoberhaupts am Vortag – um aus seiner Sicht einiges klarzustellen.

Steinmeier zeichnet düsteres Bild

Steinmeier hatte ein teils düsteres Bild der Weltlage gezeichnet und nationalen Egoismus gegeißelt. Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump kritisierte Steinmeier ausdrücklich: „Unser engster Verbündeter, die Vereinigten Staaten von Amerika erteilen unter der jetzigen Regierung selbst der Idee einer internationalen Gemeinschaft eine Absage“, beklagte Steinmeier. „Ein jedes Land solle selbst sehen, wo es bleibt, und seine eigenen Interessen über die aller anderen stellen“, fuhr Steinmeier fort. „Als ob an alle gedacht sei, wenn ein jeder an sich denkt. ‚Great again‘ – auch auf Kosten der Nachbarn und Partner.“

Der Bundespräsident griff damit inhaltlich das Motto „Westlessness“ auf, das die Veranstalter dem dreitägigen Treffen im „Bayerischen Hof“ gegeben haben. Die Wortkreation „Westlessness“ beschreibe ein „weitverbreitetes Gefühl des Unbehagens und der Rastlosigkeit angesichts wachsender Unsicherheit über die Zukunft und Bestimmung des Westens“, heißt es im Veranstaltungsprogramm. „Eine Vielzahl aktueller Sicherheitsherausforderungen scheinen direkt mit dem vielbeschriebenen Zerfall und Rückzugs des Westens verknüpft zu sein.“

Massive Kritik Trumps an Europa

In Europa sehen viele Politiker ebenso wie Steinmeier einen Grund für diese Entwicklung in der Politik der US-Regierung, die etwa aus wirtschaftlichem Eigeninteresse das Klimaabkommen von Paris boykottiert. Die aus internationalen Abkommen wie dem Atomvertrag mit dem Iran aussteigt, um anstatt einem Weg der Diplomatie einer Strategie des nationalen Drucks zu folgen. Hinzu kommen die andauernde massive Kritik Trumps, die Europäer gäben zu wenig für Verteidigung aus, und die sinkende Bereitschaft der USA, sich militärisch zu engagieren.

Ein weiterer Streitpunkt sind die transatlantischen Handelsbeziehungen, die aus Sicht des US-Präsidenten allein zum Nachteil seines Landes sind. Erst vor wenigen Tagen schimpfte Trump: „Europa behandelt uns sehr schlecht. Die Europäische Union wurde gegründet, damit sie uns schlecht behandeln können, den Job haben sie erledigt.“

Nicht nur Steinmeier befasste sich in München mit dem Unbehagen, das die Europäer angesichts solcher Angriffe aus dem Weißen Haus erfasst. „Wir Europäer haben zu lange die Augen verschlossen vor der unbequemen Realität, die ein US-Rückzug aus militärischem Engagement und internationalen Verträgen gerade für uns bedeutet“, räumte Bundesaußenminister Heiko Maas ein (SPD) am Freitag ein, um dann aber auch zu betonen: „Doch selbst mit ganz weit geöffneten Augen hätten wir kaum vorhersehen können, wie schnell das Pendel der amerikanischen Diplomatie und Politik umschlagen würde.“

Pompeo: „Westen wird gewinnen“

Solche Vorwürfe wischte Pompeo in seiner Rede beiseite. „Westlessness“ – „was immer das heißen mag“, spottete der Außenminister. Er listete Kritik an der US-Regierung auf, die sich auf die Bereitschaft seines Landes zu einer Führungsrolle in der Welt, das Bekenntnis der USA zum Multilateralismus und die von Steinmeier unterstellte Absage an die Idee einer internationalen Gemeinschaft bezog. Und wies solche Vorhaltungen rundweg zurück. Der frühere CIA-Chef pries nicht nur den weltweiten Einsatz seines Landes für Menschenrechte, nationale Souveränität, Wirtschaftswachstum sowie für die gemeinsame transatlantische Sicherheit und den Kampf gegen den Terror, sondern auch die Stärke der US-Wirtschaft und des politischen Systems in den USA.

Im Gegensatz dazu Russland, das die territoriale Einheit von Ukraine und Georgien infrage stelle und hinter Desinformationskampagnen stecke. Im Gegensatz dazu der Iran, der mit seinen Raketen und Cyberattacken für Unruhe in einer ganzen Region sorge. Und natürlich China, das mit nahezu allen seinen Nachbarn maritime Konflikte provoziert habe und Unternehmen wie Huawei und deren 5G-Technik als trojanisches Pferd für Spionage nutze. „Aber es gibt gute Nachrichten“, verkündete Pompeo. „Die Vereinigten Staaten blicken diesen gefährlichen Bedrohungen ins Gesicht, ohne zu blinzeln.“

Sei das ein Amerika, das der internationalen Gemeinschaft eine Absage erteile, fragte Pompeo ins Publikum. Sei das Handeln der USA ein Beweis für eine schwere Krise der multilateralen Ordnung? „Ich bin zuversichtlich, dass der Westen gewinnen wird“, wiederholte Pompeo unbeirrt. Von den Europäern verlangte der US-Außenminister dafür jedoch mehr Entschlossenheit: Denn es gebe in der Geschichte keinen Moment, „in dem die Schwachen und Kleinmütigen gewonnen haben“.