An den Wochenenden kommt es öfter zu Konflikten. Foto: www.geschichtenfotograf.de/Philip Weingand

Wie sicher ist Stuttgart wirklich? Eine Podiumsdiskussion zeigt am Dienstagabend, dass gute Zahlen gegen bestimmte Ängste nicht helfen.

Stuttgart - Dass die tatsächliche und die gefühlte Sicherheit im Lande auseinandergehen, weiß man spätestens seit dem Frühjahr, als der Bundesinnenminister neue Zahlen präsentierte: 2018 gab es so wenig Gewalttaten wie lange nicht, aber die gefühlte Sicherheit ist ebenfalls auf einem Tiefpunkt. Wie das zusammengeht, versuchte am Dienstag eine Podiumsdiskussion der Friedrich-Ebert-Stiftung auszuloten. Titel: „Da traut man sich gar nicht mehr vor die Tür“.

Dass Stubenhockerei gerade in Stuttgart nicht nötig ist, macht Rüdiger Winter von der Polizei anhand der Kriminalstatistik klar. Die Landeshauptstadt sei ausweislich der Zahlen „relativ sicher“, auch im Vergleich mit anderen Großstädten. Der für Sicherheit zuständige Bürgermeister Martin Schairer (CDU) weist darauf hin, dass Sicherheit auch Dinge wie den Katastrophenschutz oder die Abwehr von Cybercrime umfasst, „aber wir diskutieren hier ja über die Sicherheit auf der Straße“. Da geraten dann allerdings auch am Dienstag weniger die Straßen und Plätze von Degerloch, Weilimdorf oder Untertürkheim in den Fokus, sondern wie so oft die Innenstadt, wo laut Kriminalstatistik vor allem an Wochenenden mit Abstand die meisten Straftaten registriert werden.

Nach der Fußball-WM 2006 sei das Feiern im öffentlichen Raum in Mode gekommen, analysiert der Jugendsozialarbeiter Klausjürgen Mauch, der sich auch freitag- und samstagabends beruflich in der City aufhält und von manch brenzliger Situation berichten kann. „Nach Mitternacht wird das Klima in der Stadt anders“, so Mauch. Stuttgart habe „noch keine Antwort auf die feiernden Jugendlichen in der Stadt“. 10 000 von ihnen begäben sich wochenends zu diesem Zweck in die Landeshauptstadt, ergänzt Bürgermeister Schairer, da kämen 20 Tonnen Müll und jede Menge Konflikte zusammen: „In der Eberhardstraße wohnen 140 Menschen, und dann machen nachts um zwei die Clubs auf und die 3er-BMWs röhren. Das geht schwerlich zusammen.“

Am sichersten ist es im Wald oder doch nicht?

Vermutlich verfolgt nur ein Bruchteil der Bürger dieses nächtliche Treiben regelmäßig mit eigenen Augen. Gleichwohl kann auch tagsüber gefühlte Unsicherheit dazu führen, „dass Menschen Wege verändern“, wie der Geislinger SPD-Landtagsabgeordnete Sascha Binder am Beispiel der Klett-Passage beobachtet hat. Das spiegeln denn auch die Fragen aus dem Publikum: Da wird auf die E-Scooter geschimpft („Überall stehen die Dinger rum!“), mangelnder Respekt gegenüber der Polizei beklagt und über die Medien gesprochen. Einige Teilnehmer vermuten aufgrund der Berichterstattung, dass zwar vielleicht weniger, dafür aber umso heftigere Straftaten begangen würden.

Hier geht es zur Crimemap.

Der Polizist Rüdiger Winter verneinte dies ebenso wie die Frage, ob mehr und genauere Zahlen zur Kriminalität in der Diskussion nicht hilfreich wären: „Wenn bei meinem Nachbarn eingebrochen wird, soll ich dann wegziehen?“ Eine Crimemap, wie sie unsere Zeitung seit Juli auf Grundlage der Polizei-Pressemitteilungen veröffentlicht, mache den Leuten Angst, so Martin Schairer. Die Diskussion am Dienstagabend zeigt: Wovor Menschen Angst haben und wovor sie wirklich Angst haben sollten, das sind manchmal zwei Paar Stiefel. Der sicherste Platz in Stuttgart, sagt Bürgermeister Schairer gerne, sei der Wald. „Aber fühlen Sie sich da sicher?“

Drei weitere Veranstaltungen zum Thema sind geplant, darunter am 10. Oktober in Freiburg, wo die öffentliche Sicherheit nach mehreren Gewalttaten womöglich noch deutlich kontroverser diskutiert wird.