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Stuttgart 21, Fußball-Bundesliga, Atomtransport - Gewerkschaft warnt vor Personalengpass.

Stuttgart - "Wir gehen personell am Krückstock. Es geht nicht mehr." Mit einem Hilferuf hat sich Rüdiger Seidenspinner, Landeschef der Polizeigewerkschaft, am Montag an die Landesregierung gewandt. In einem Schreiben an Innenminister Heribert Rech (CDU), das unserer Zeitung vorliegt, verweist der Gewerkschafts-Chef auf die zunehmende Arbeitsbelastung der Polizei in den vergangenen Monaten.

Vor allem der Dauereinsatz beim Milliardenprojekt Stuttgart 21, aber auch die Rund-um-die-Uhr-Bewachung von entlassenen Strafgefangenen aus der Sicherungsverwahrung, die Dienste bei Fußballspielen und der bevorstehende Castor-Transport hätten zu einer nie dagewesenen Lage geführt. "Wenn unsere Leute acht Stunden am Bauzaun in Stuttgart im Einsatz sind, fehlen die auf ihren Dienststellen. Es gibt überall Engpässe", so Seidenspinner.

Erschwerend komme hinzu, dass immer dieselben Beamten aus dem ganzen Land bei Stuttgart 21 im Dienst seien, weil nur jeder dritte Polizeibeamte über einen Einsatzanzug und Einsatzhelm verfügt. "Die Leute können also nicht ausgewechselt werden. Jetzt rächt sich die semiprofessionelle Ausstattung, weil das Land gespart hat."

Andere Länder sollen helfen

Aus Sicht der Polizeigewerkschaft muss die Landesregierung schnellstens Abhilfe leisten. "Es ist höchste Zeit, Unterstützung aus anderen Bundesländern anzufordern", fordert Seidenspinner in dem Brief. In der Annahme, dass die Proteste gegen Stuttgart 21 noch Wochen andauern könnten, sei die Belastung nicht mehr zu verkraften.

Als Beleg für die angespannte Situation bestätigte Seidenspinner am Montag, dass es sich bei den beiden Beamten, die beim Amoklauf von Lörrach zuerst am Tatort waren und die Amokläuferin töteten, um einen Innendienstmitarbeiter und ein Mitglied des Freiwilligen Polizeidienstes gehandelt habe. Beide hatten keine Amokschulung, mussten aber an den Tatort, weil die Polizeidirektion Lörach zum gleichen Zeitpunkt 30 Beamte nach Stuttgart abstellen musste.

Eine Sprecherin des Innenministers sagte den Stuttgarter Nachrichten: „Uns ist klar, dass durch den Einsatz in Stuttgart die Polizei im ganzen Land sehr belastet ist.“ Bei Stuttgart 21 handele es sich mittlerweile „um einen Dauereinsatz“. Eine mögliche Anforderung von Verstärkungen aus anderen Bundesländern sei nicht ausgeschlossen. „Diese Überlegung haben wir durchaus. Es könnte der Punkt kommen, an dem wir sagen: Bitte helft uns.“ Aber noch sei darüber nicht entschieden, so Rechs Sprecherin.