Bei den Derbys zwischen der SG BBM Bietigheim und der TuS Metzingen geht’s zur Sache. Foto: Baumann

Es ist ein Derby, es ist ein Spitzenspiel, es ist das Aufeinandertreffen der beiden deutschen Nationaltorhüterinnen. Im Frauenhandball-Bundesligaspiel SG BBM Bietigheim – TuS Metzingen geht es ums Prestige und die Frage: Findet das Duell vorerst zum letzten Mal auf Augenhöhe statt?

Stuttgart - „Die endgültige Entscheidung fällt diese Woche“, sagt Isabell Roch. Doch eine gewisse Tendenz lässt sich aus ihren Worten heraushören. Die Nationaltorhüterin des Frauenhandball-Bundesligisten TuS Metzingen zieht es in der neuen Saison zu Ligarivale Borussia Dortmund. Es wäre der nächste hochkarätige Abgang der TusSies nach Julia Behnke (zum russischen Champions-League-Teilnehmer Rostov Don), Monika Kobylinska (zum französischen Topteam Brest Bretagne), Julia Harsfalvi (zurück nach Ungarn), Katharina Beddies (pausiert) und Shenia Minewskaja, auf deren Dienste die TuS freiwillig keinen Wert mehr legen.

Großer Umbruch bei den TusSies

„Ja, ein großer Umbruch findet statt“, weiß auch Isabell Roch vor dem Bundesliga-Spitzenspiel an diesem Samstag (19 Uhr/MHP-Arena Ludwigsburg) bei ihrem Ex-Club SG BBM Bietigheim. Zumal als Zugänge bisher zwar vielversprechende, aber unerfahrene Talente feststehen. Oftmals sind solch tiefe personelle Einschnitte der finanziellen Not geschuldet. Müssen also auch die TusSies abspecken? „Nein, wir können eben nur nicht mit den ausländischen Weltklasseclubs finanziell mithalten, schließlich will ich, dass es die TuS auch in zehn Jahren noch gibt“, betont Geschäftsführer Ferenc Rott. Die Schere zu den vom Staat und von Mäzenen unterstützten Vereinen in Osteuropa und Frankreich geht immer weiter auseinander. National aber glaubt Rott, dass sein Team auch künftig oben mitmischen kann: „Wir werden zu 100 Prozent auch in der neuen Saison ein schlagkräftiges Team haben.“

Verliert Metzingen, ist der Titeltraum vorbei

Noch aber gilt die ganze Konzentration der laufenden Runde. Wenn die TuS (22:4 Punkte) noch ein Wörtchen um die Meisterschaft mitreden will, muss sie beim Rivalen SG BBM (28:0 Punkte) gewinnen, zumal auch der Thüringer HC (26:2 Punkte) noch gut im Rennen ist. Isabell Roch weiß, wie schwer das wird. Die vergangenen sechs Partien gewann Bietigheim, fünf davon hauchdünn mit einem Tor Differenz. „Die SG hat mehr individuelle Klasse, wir kommen über die Geschlossenheit“, sagt die Tochter des ehemaligen Nationaltorwarts Siegfried Roch, der 1984 Olympia-Silber gewann.

Die Handball-Gene der Isabell Roch

2015 war die Torhüterin mit den Handball-Genen nach Württemberg gekommen. 2017 feierte sie mit der SG BBM Bietigheim die deutsche Meisterschaft, danach ging’s nach Metzingen. Der größte Unterschied zwischen den beiden Clubs? Der hat einen Namen: Eberhard Bezner. Der Seniorchef des Hemdenherstellers Olymp unterstützt das Bietigheimer Frauenteam nach Kräften. Nur so ist dieses internationale Starensemble möglich, das aber auf europäischer Bühne chancenlos ist. „Dieses Mäzenatentum ist legitim und schön für die SG BBM“, sagt Metzingens Manager Rott, „wenn ich 100 000 Euro benötige, kann ich leider nicht eine Person anrufen, sondern muss bei unseren vielen kleinen Sponsoren Klinken putzen.

Dank Bezners Finanzspritzen ist es der SG BBM vor der Saison gelungen, die gebürtige Leonbergerin Dinah Eckerle vom Thüringer HC zurück in die Heimat zu holen. Die 23-Jährige bildet mit Isabell Roch (28) das Gespann in der Nationalmannschaft. Auch dieses direkte Aufeinandertreffen macht das Derby am Samstag so attraktiv.

Parallelen zwischen Roch und Eckerle

Beide sind relativ kleine Torhüterinnen (Eckerle misst 1,70 m, Roch 1,77 m), beide leben von ihrer (Reaktions-)Schnelligkeit. Rochs Stil ist unkonventioneller, erinnert an die positive Verrücktheit eines Silvio Heinevetter, Eckerle ist eine Strategin zwischen den Pfosten, sie liest ein Spiel, sie beschäftigt sich intensiv mit den Wurfbildern der Schützinnen. „Dinah hat eine intelligente Art zu halten“, sagt Ex-Bundestrainer Dago Leukefeld. Er hat einst Isabell Roch im Alter von 15 aus ihrer mainfränkischen Heimat ins Internat nach Erfurt geholt. Genau dieselbe Ausbildung genoss Dinah Eckerle nach ihrer Zeit beim GSV Hemmingen und den TSF Ditzingen, mit 14 schloss sie sich dem Thüringer HC an. „Beide mussten in jedem Training an ihre Grenzen gehen“, erinnert sich Leukefeld. „Das hat ihre Karriere wesentlich beeinflusst.“ Am Samstag stehen sie sich im württembergischen Derby gegenüber. Aufgrund des großen Umbruchs im Metzinger Kader könnte es möglicherweise das vorerst letzte auf Augenhöhe sein.

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