Der Nazijäger Meyer Offerman (Al Pacino, li.) macht Jonah (Logan Lerman) mit kompromisslosen Vorstellungen von Vergeltung vertraut. Foto: Amazon Prime Video/Christopher Saunders

Oberflächlich ist „Hunters“ bei Amazon Prime mit Al Pacino als Nazijäger unterhaltsamer Trash. Doch hinter der grellen Kulisse steckt die Warnung vor dem großen Rechtsruck.

Stuttgart - Über den richtigen Umgang mit den historischen Nazis, den bis 1945 wütenden Massenmördern, gibt es verschiedenste Vorstellungen: Vergebung oder Vergeltung, Knast oder Kopf ab. Der New Yorker Jude Meyer Offerman zum Beispiel bevorzugt definitiv letzteres. „Also Mord?“, fragt ihn ein junger Glaubensgenosse im plastikbunten Jahr 1977. „Nein, Rache“, antwortet ihm der Millionär mit osteuropäischem Akzent. „Die beste Rache ist Rache.“ Punkt.

Wenn jemand die moralische Messlatte beim Umgang mit NS-Verbrechern so tief legt wie Offerman, wenn er eine Privatarmee skurriler Profikiller zusammenstellt, wenn die untergetauchte SS-Schergen in den USA mit kalkulierter Brutalität kaltmacht – dann fühlt man sich in der Amazon-Serie „Hunters“ flugs an Brad Pitts Racheengel Aldo Raine erinnert, der in Quentin Tarantinos Splatter-Kunstwerk „Inglourious Basterds“ den legendären Satz sprach, er wolle weder quatschen noch verhandeln, sondern nur das eine: „Nazis töten!“

Mit Musik zu Tode foltern

Oberflächlich betrachtet, könnte also auch „Hunters“ von Rache um der Rache willen handeln. Schließlich reicht es den sieben Jägern mit Namen wie Sister Harriet, Lonny Flash oder Roxy Jones nicht, Altnazis aus der Anonymität ihrer heilen Nachkriegsexistenzen zu reißen. Ein erfolgreicher Musikproduzent, der 32 Jahre zuvor als KZ-Aufseher täglich Gefangene zum Singen versammelt und jeden abgeknallt hatte, der die Töne nicht traf, wird nicht kurz und schmerzlos erschossen, sondern mit lauter Musik zu Tode gefoltert. Unter dem schrillen Siebziger-Trash steckt allerdings mehr, viel mehr als nur Tarantinos Lust an Gewalt, Kulisse und Grenzüberschreitung.

Nach eigenem Drehbuch (Regie: Alfonso Gomez-Rejon) arbeitet der Showrunner David Weil auch die Geschichte seiner polnischen Familie auf, die dem Genozid knapp entkommen war. Wenn der fabelhaft verkarstete Al Pacino als Meyer Offerman beginnt, die Altnazis in Amerikas Mittelschicht zu dezimieren, wird dies mit Rückblenden zu den Gräueltaten von damals begründet.

Was in der Gesellschaft brodelt

Parallel zu Offermans Feldzug, auf dem ihn bald der eingangs erwähnte Jonah (Logan Lerman) begleitet, arbeitet der frühere „Schlächter“ Biff Simpson (Dylan Bake) mithilfe des ähnlich jungen Killers Travis (Greg Austin) am Auferstehen des IV. Reichs, also einer Art Variante der Fantasy-Serie „The Man In The High Castle“, in der Hitler den Krieg gewonnen und Amerika erobert hat. Je näher die FBI-Agentin Millie Mallone (Jerrika Hinton) den Mordserien von rechts und links rückt, desto deutlicher wird, was wie einst in der Weimarer Republik unter dem Firnis der pluralistischen Demokratie brodelt.

So gesehen, ist „Hunters“ bei aller unterhaltsamen Nostalgie ein relevantes Stück Gegenwartsaufarbeitung. In Nürnberg hätten die Alliierten zwölf Nazis zum Tode verurteilt, erklärt Meyer Hoffman dem zögernden Jonah sein radikales Handeln, „zwölf von acht Millionen Tätern“. Ob er denn vom Mossad sei oder der CIA, will der Nachgeborene wissen. „Ich arbeite für mich“, antwortet der Zeitzeuge, „aber ich habe sechs Millionen Klienten“. Und weitere sieben Milliarden in aller Welt, ließe sich ergänzen. Denn der braune Schoß ist fruchtbar noch.

Verfügbarkeit: Alle zehn Folgen bei Amazon Prime abrufbar