Oliver Zeitvogel aus Fellbach hat ein Fitnessstudio in Waiblingen und ist mit 56 Jahren noch immer topfit. Foto: Eva Herschmann

Großartige Erfolge, großartige Momente: Fellbachs Sportler(innen) haben in den vergangenen Jahrzehnten viel erlebt. Wir wollen ihre Geschichte und ihre Geschichten wieder aufleben lassen. Heute: Rock’n’Roll-Weltmeister Oliver Zeitvogel.

Fellbach - Bei der Rock’n’Roll-Weltmeisterschaft der Profis 1990 in München waren Oliver Zeitvogel und Sylvia Ludwig von den Red Stars Rocking Club Fellbach die Lokalmatadoren. Ein Jahr zuvor waren sie im Palais des Sports in Lyon vor 10 000 Zuschauern Weltmeister bei den Amateuren geworden und hatten sich damit den Eintritt ins Profilager ertanzt. „Der Wettkampf war ganz groß aufgezogen. Die Rudi-Sedlmayer-Halle war voll, und 80 Prozent der Zuschauer waren für uns. Wir wurden gefeiert wie Stars, ich habe mich gefühlt wie Michael Jackson“, sagt Oliver Zeitvogel und grinst. Getragen von Wellen der Begeisterung tanzte sich das Red-Stars-Paar in einen Rausch und holte nach dem Titel bei den Amateuren auf Anhieb auch den bei den Profis. „Damals ist einfach alles perfekt zusammengelaufen“, sagt der 56-Jährige, der ein Fitnessstudio in Waiblingen betreibt.

Oliver Zeitvogel gab für den Rock’n’Roll sogar den elterlichen Betrieb auf

Die Artikel und Zeitungsfotos von damals hat Oliver Zeitvogel fein säuberlich in einem Aktenordner abgelegt. Die Bilder zeigen einen großgewachsenen, durchtrainierten jungen Mann mit einer – in jenen Tagen modischen – Vokuhila-Frisur neben seiner zierlichen Partnerin Sylvia Ludwig. Jörg Heumann, Trainer bei den Red Stars, hatte die beiden 1985 als Tanzpaar zusammengeführt. Jörg Heumann war 1980 mit Bettina Pokorny der erste Rock’n’Roll-Weltmeister aus Fellbach, und belegte sieben Jahre nach seinem WM-Sieg mit der Fellbacherin Brigitte Seibold (heute Striegel) noch einmal Platz zwei bei den Profis. „Jörg meinte damals, wenn ihr beide mitzieht, mache ich aus euch Weltmeister“, sagt Oliver Zeitvogel. Und die beiden zogen mit, nicht nur bei den Schritten auf der Tanzfläche zum schnellen Viervierteltakt. Die Arzthelferin Sylvia Ludwig reduzierte ihre Arbeit auf einen Halbtagsjob, Oliver Zeitvogel gab für den Rock’n’Roll sogar den elterlichen Betrieb auf. „Ich stand vor der Wahl: entweder sechs Stunden Training am Tag oder die Installateurfirma meines Vater übernehmen. Ich habe mich für das Tanzen entschieden.“ Sein Vater habe daraufhin das Geschäft verkauft und sei in Rente gegangen, erzählt Oliver Zeitvogel. „Aber böse ist er mir nicht. Er genießt seitdem sein Leben und ist meiner Sportphilosophie gefolgt. Mit 84 Jahren trainiert er dreimal in der Woche bei mir.“

Ein ganzes Jahr legten er und seine Tanzpartnerin eine Wettkampfpause ein

Der Sieg bei der Profi-Weltmeisterschaft in München markierte einen Wendepunkt für Oliver Zeitvogel und Sylvia Ludwig. „Als Neu-Profis waren wir völlig unbefangen in den Wettkampf in München gegangen. Doch als Weltmeister waren wir wer in der Szene und hatten was zu verlieren. Bei uns begann das Zittern, und wir wurden immer schlechter“, sagt Oliver Zeitvogel kopfschüttelnd. Klar war, dass es nicht an mangelndem Können oder fehlerhafter Fußtechnik liegen konnte. „Wir konnten tanzen, und wir haben die Akrobatik beherrscht. Also mussten wir unsere Probleme an einem anderen Punkt anpacken“, sagt Oliver Zeitvogel.

Ein ganzes Jahr legten er und seine Tanzpartnerin eine Wettkampfpause ein, beschäftigten sich stattdessen intensiv mit mentalem Training. Im Frühjahr 1992 kehrten Oliver Zeitvogel und Sylvia Ludwig zurück – und waren nicht zu halten. „Wir waren so stark, wir haben in diesem Jahr alles gewonnen, was es zu gewinnen gab“, sagt Oliver Zeitvogel. Auch die Rock’n’Roll-Weltmeisterschaft, die erneut in München ausgetragen wurde. „Damit hatten wir es allen gezeigt. Das war der Höhepunkt. Mehr ging nicht.“ Oliver Zeitvogel und Sylvia Ludwig beendeten anschließend ihre sportliche Laufbahn und zogen fortan für Schauauftritte durch die ganze Welt. „Wir sind in Shows in Las Vegas und Los Angeles in den USA aufgetreten, oder in Perth in Australien. Es waren unglaubliche eineinhalb Jahre“, sagt Oliver Zeitvogel. Geld hat er in der Zeit auch verdient – und gespart. „Das war mein Startkapital für das Fitnessstudio.“ Der Rock’n’Roll hat Oliver Zeitvogel aber noch viel mehr gebracht. „Von den Weltmeistertiteln profitiere ich heute noch. Es ist schon ein Privileg, so etwas in seiner Vita zu haben.“

Mit Jörg Heumann ist er bis heute befreundet

Längst ist Rock’n’Roll nicht mehr so populär, wie es in den Hochzeiten von Jörg Heumann oder Oliver Zeitvogel war. „Früher war der Sport im Fernsehen sehr präsent. Doch dann haben sich die Tänzer irgendwann zu sehr von den Wertungsrichtern beeinflussen lassen und immer mehr auf Akrobatik gesetzt.“ Spektakuläre Sprünge und Würfe habe es auch schon zu ihrer Zeit gegeben. „Aber damals hatte noch jedes Paar seinen eigenen charakteristischen Stil, und der Tanz war ebenso wichtig wie die akrobatischen Elemente. Das hat dem Publikum besser gefallen.“

Froh ist Oliver Zeitvogel, dass er und seine Partnerin ohne größere Verletzungen durch ihre gemeinsame Sportzeit kamen. „Damals gab es fast in jedem Jahr Tote oder schwere Verletzungen bis hin zu Lähmungen. Aber wir hatten einen tollen Trainer, der auch aufgrund seiner Ringervergangenheit immer genau gewusst hat, wann er hilfreich eingreifen und zupacken muss“, sagt Oliver Zeitvogel. Mit Jörg Heumann ist er bis heute befreundet. Auch Sylvia Ludwig und er haben noch losen Kontakt. „Wir haben 15 prägende Jahre miteinander erlebt, das legt man nicht einfach ab, und manchmal reden wir auch über früher.“ Bei besonderen Anlässen wie Hochzeiten oder runden Geburtstagsfeiern sitze die ganze Red-Stars-Familie zusammen, erzählt der 56-Jährige. „Und dann tanzen Sylvia und ich auch mal einen Rock’n’Roll, aber natürlich nur mit Klein-Akrobatik. So wild wie früher schmeiße ich sie nicht mehr hin und her.“