Uwe Rücker ist Verkehrsleiter vom Dienst am Stuttgarter Flughafen. Foto: Siri Warrlich

Der Flughafen Stuttgart ist eine eigene Welt. In unserer vierteiligen Serie schauen wir hinter die Kulissen und begleiten einige der über 10.000 Mitarbeiter bei ihrer täglichen Arbeit. In dieser Folge geht es mit der Vorfeldaufsicht auf Kontrollfahrt.

Stuttgart - Uwe Rücker bremst abrupt. Über Funk nimmt er Kontakt zum Tower auf und erfährt, dass die nächste Maschine noch acht Meilen entfernt ist. Zeit genug: Rücker springt aus dem Wagen und hebt etwas von der Start- und Landebahn auf. „Das ist ein Stück von der Plattendichtung aus der Piste, das der starke Regen rausgeschwemmt hat. Das muss ich natürlich mitnehmen“, erklärt er. Als Verkehrsleiter vom Dienst gehört es zu seinen Aufgaben dafür zu sorgen, dass Start- und Landebahn sowie die Rollwege am Stuttgarter Flughafen frei von Hindernissen sind.

Ist das nicht der Fall, weil etwa ein Tierkadaver auf der Piste liegt, wird der Flugbetrieb durch die Verkehrsaufsicht auch mal vorübergehend eingestellt – solange, bis die Mitarbeiter das tote Tier beseitigt haben. Sicherheit geht vor. Die Plattendichtung bringt den Flugplan zwar nicht durcheinander, doch Uwe Rücker veranlasst, dass der Defekt schnell repariert wird.

Flugzeuge haben immer Vorfahrt

Alle vier Stunden rücken die Mitarbeiter der Verkehrsaufsicht zu einer Kontrollfahrt aus. Rücker ist routiniert: Mit einem Blick erkennt er, ob alles in Ordnung ist auf der Start- und Landebahn – etwa, ob die Leuchten intakt sind. „Das ist ein Routinejob, der nie zur Routine wird – auch, wenn man mehrfach am Tag seine Kontrollfahrt macht, ist doch immer wieder irgendetwas anders“, sagt der 51-Jährige. Außer dem herumliegenden Dichtungsmaterial gibt es dieses Mal keine Auffälligkeiten. „Runway inspection completed“, meldet Rücker an den Tower. Jeder, der sich auf dem Vorfeld bewegt, muss über Funk erreichbar sein. Und noch eine wichtige Regel gilt hier: Flugzeuge haben immer Vorfahrt.

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Langsam fährt der Verkehrsleiter vom Dienst an den Parkpositionen vorbei, wo die Maschinen abgefertigt werden. Tragen die Mitarbeiter ihre Schutzausrüstung? Wird der erforderliche Sicherheitsabstand zum Flugzeug eingehalten? „Ein Triebwerk erzeugt einen derartigen Schub, der kann ein Auto umwerfen“, erklärt Rücker. Deshalb achten er und seine Kollegen bei ihren Kontrollfahrten auch darauf, dass die Sicherheitsvorschriften auf dem Vorfeld von allen eingehalten werden.

Wenn der 51-Jährige aus seinem Fahrzeug aussteigt, verheißt das nichts Gutes: Dann gibt es etwas zu beanstanden. „Wir haben einen Punktekatalog bei Verstößen“, sagt Rücker. Die Gratwanderung zwischen Härte und Milde sei mitunter schwierig, denn die Konsequenzen wiegen schwer: „Die Strafen bei wiederholtem Fehlverhalten eines Mitarbeiters können bis zum Entzug der Vorfeldfahrerlaubnis reichen. Das kommt einem Rausschmiss gleich.“

Wenn es gewittert, wird die Arbeit eingestellt

Im Funkgerät knackt es. Eigentlich sollte in Kürze Peter Altmaier in Stuttgart landen. Auch dann ist der Verkehrsleiter vom Dienst im Einsatz – er bringt den Prominenten vom Flugzeug zum Terminal oder umgekehrt. „Das ist eine interessante Sache. Man lernt viele Leute kennen“, sagt Rücker. „Wenn dann eine Bundeskanzlerin Merkel sagt ‚Grüß Gott, Herr Rücker’, ist das wirklich nett.“ Über Funk erfährt er, dass die VIP-Betreuung für heute ausfällt – der Kanzleramtsminister kommt erst morgen.

An den Parkpositionen läuft im Moment alles nach Plan. Doch das könnte sich bald ändern: Am Himmel ziehen dunkle Wolken auf. Befindet sich ein Gewitter innerhalb eines Radius von fünf Kilometern um den Flughafen, lässt der Verkehrsleiter vom Dienst die Flugzeugabfertigung unterbrechen: Wer auf dem Vorfeld arbeitet, muss einrücken oder sich in einem Fahrzeug in Sicherheit bringen.

„Es gibt keine hohen Metallmasten, die Blitze abfangen könnten. Eine Person, die sich da bewegt, ist deshalb bei Gewitter stark gefährdet“, erklärt Rücker. Er erinnert sich noch gut daran, wie es war, im Auto zu sitzen, als ein Blitz ins Vorfeld einschlug: „Man spürt den Einschlag, die Druckwelle und die Hitze durch die Autoscheiben hindurch.“ Deshalb haben die Mitarbeiter von der Verkehrsaufsicht die Wetterdaten stets im Blick.

Uwe Rücker hat seinen Traumberuf gefunden. Der Verkehrsleiter vom Dienst liebt die „eigene Welt“ des Flughafens, „das Gewusel, den Ameisenhaufen, von dem Außenstehende denken, er sei völliges Chaos. Aber jeder, der am Flughafen arbeitet, weiß, es läuft genauso, wie es laufen muss. Das macht den Reiz aus“, findet Rücker. Dass „bis zu 600 Tonnen Flugzeugaluminium und Kunststoff fliegen können“ fasziniert ihn – noch immer.