Das eigene Haus gilt als Vorsorge fürs Alter. Doch man muss es sich auch leisten können. Foto: dpa

Nullzinsen machen die Vorsorge nicht einfach. Wir zeigen in unserer Serie, welche finanziellen Aspekte in welcher Lebenslage zu berücksichtigen sind. Heute: die Immobilienfinanzierung.

Stuttgart - Die Zahl ist beeindruckend: Allein im vergangenen Jahr schlossen die Menschen in Deutschland Baukredite für gut 235 Milliarden Euro ab. Diese Zahl hat die Stiftung Warentest vor kurzem ausgerechnet. Der Wert liege fast so hoch wie im Rekordjahr 2015, sagte Heinz Landwehr, der Chefredakteur von „Finanztest“. Keine Frage, Immobilien sind beliebt, auch wegen der extrem niedrigen Hypothekenzinsen.

Hier gelangen Sie zu einer Grafik zum Thema: Nebenkosten beim Immobilienerwerb.

Baden-Württemberg hat überdurchschnittlich viele Häuslesbauer- und -besitzer. Von den insgesamt fünf Millionen Haushalten im Südwesten verfügen gut 2,9 Millionen über ein Haus oder eine Eigentumswohnung, geht aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 hervor, die das Statistische Landesamt erhoben hat. Neuere Angaben liegen nicht vor, weil die Werte nur alle fünf Jahre erfasst werden. Was aus der Erhebung auch hervorgeht: Mehr als die Hälfte der Eigentümer hat ihre Immobilie noch nicht abbezahlt; bei einem Drittel der Haushalte lag die Restschuld sogar zwischen 100 000 und über 250 000 Euro. Es dauert teilweise Jahrzehnte, bis ein Privater alle Schulden für seine Traumimmobilie getilgt hat. Um keine bösen Überraschungen zu erleben, sollte man sich rechtzeitig und intensiv mit dem Thema auseinandersetzen.

Mietfrei bedeutet nicht kostenfrei

Das eigene Haus oder die eigene Wohnung gilt als gute Vorsorge, nicht zuletzt wegen des mietfreien Wohnens im Alter. Doch kostenfrei sind die eigenen vier Wände beileibe nicht. Es fallen Hausgeld, Versicherungen und Steuern an – aber auch Renovierungsausgaben etwa für ein neues Bad. „Wenn ein Eigentümer 50 Jahre nichts in seine Wohnung gesteckt hat, dann ist sie wertlos“, urteilt Niels Nauhauser, als Abteilungsleiter zuständig für die Bereiche Altersvorsorge und Bankenkredite bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Für den Werterhalt einer Immobilie sollte man jährlich zwei Prozent ihres Wertes (ohne Grundstück) einkalkulieren, empfiehlt die Verbraucherzentrale als Faustformel.

Dennoch gilt: mit hohen Wertsteigerungen sollte man bei Immobilien nicht zwingend rechnen, so Niels Nauhauser. So sei unklar, in welchen Regionen Immobilien im Wert wachsen. Steigt die Nachfrage in den Ballungszentren weiter oder werden ländliche Regionen wieder attraktiv, weil dort – dank Digitalisierung – Arbeitsplätze entstehen?

Die finanziellen Möglichkeiten ehrlich bewerten

Die meisten Menschen beschäftigen sich im Zusammenhang mit der Familienplanung mit der eigenen Immobilie – also im Alter zwischen 20 und 40 Jahre. Doch Vorsicht, ein Ortswechsel etwa aus beruflichen Gründen, sollte zu diesem Zeitpunkt nicht anstehen. Denn der Verkauf einer nicht abbezahlten Immobilie ist häufig mit Risiken und zusätzlichen Kosten verbunden, warnt die Verbraucherzentrale.

Vor einem Vertrag sollte jeder Möchtegern-Eigentümer zunächst seine Einnahmen und Ausgaben ehrlich beziffern, um festzustellen, was er sich überhaupt leisten kann. Die Lebenshaltungskosten sollten nicht zu gering kalkuliert, Geld für Nebenkosten, kleinere Reparaturen, die eventuelle Anschaffung von Möbeln oder einem Auto berücksichtigt werden. Auch ein Kind wirkt sich auf Einnahmen und Ausgaben aus, etwa weil ein Elternteil beruflich kürzer tritt. Die Kreditrate sollte 40 Prozent des Nettoeinkommens eines Haushalts nicht übersteigen, raten viele Banken.

Wer bei seiner Kalkulation aber „nur“ den Kaufpreis einer Immobilie berücksichtigt, dürfte später eine unschöne Überraschung erleben. Denn die Erwerbsnebenkosten wie Grunderwerbssteuer, Grundbuch- und Notarkosten sowie eventuell die Maklergebühr schlagen – je nach Bundesland – mit teilweise mehr als zehn Prozent des Anschaffungspreises zu Buche (siehe Grafik). Prozentual gehört Baden-Württemberg bei den Erwerbsnebenkosten zwar nicht zu den ganz teuren Ländern; in absoluten Werten kann die Belastung dennoch höher als in vermeintlich billigeren Ländern sein – wegen der höheren Immobilienpreise im Südwesten.

Die Verlockung steigt mit den niedrigen Zinsen

Es soll ja Menschen geben, die ein Haus aus den Ersparnissen finanzieren können. Doch dies dürfte die Ausnahme sein, meist geht es nicht ohne Kredit. Zurzeit sind die Darlehenszinsen sehr niedrig, damit ist die Verlockung groß, sich ein größeres Häuschen zu leisten. Doch Vorsicht, die Zinsen können wieder steigen; ein Indiz dafür könnte sein, dass derzeit Bauzinsen mit einer Bindungsfrist von 15 Jahren teurer sind als die für zehn Jahre. Jede Zinserhöhung wirkt sich unmittelbar bei einer Anschlussfinanzierung aus. Denn auch bei einer Tilgung von zwei Prozent jährlich liegt die Restschuld nach zehn Jahren noch immer zwischen 70 und 80 Prozent der Anschaffungskosten, warnt Nauhauser.

Experten empfehlen Bauherren, zunächst zu sparen, um zwischen 20 und 30 Prozent des Kaufpreises als Eigenkapital in die Finanzierung einzubringen. Damit kann man die Zinszahlungen und das Risiko senken. Eigenkapital ist dabei nicht nur das Geld auf dem Sparkonto. Auch Aktienfonds, Bausparverträge oder Lebensversicherungen zählen dazu. Bevor angehende Bauherren aber diese Anlagen alle kündigen, sollten sie sich zunächst deren Verzinsung und die Kosten für die Ablöse anschauen. Die Berechnung kann ergeben, dass es sich lohnt, Verträge weiter laufen zu lassen. Auf keinen Fall sollte man allerdings Verlockungen von Kreditgebern folgen, nicht nur das Eigenheim per Kredit zu finanzieren, sondern zusätzlich noch Aktien oder Fonds, um Kursgewinne später zur Tilgung zu nutzen, rät die Verbraucherzentrale. Wegen möglicherweise fallender Kurse erhöhen solche Konstruktionen das Risiko deutlich. Üblich ist es, jährliche Sondertilgungen in den Kreditverträgen zu vereinbaren. Praktisch ist auch die Möglichkeit, den Tilgungssatz zu verändern – etwa nach einer beruflichen Beförderung.

Experten empfehlen, gut vorbereitet in die Gespräche mit Kreditgebern zu gehen. Wer seine finanzielle Situation kennt, vermeidet später böse Überraschungen. Die Untersuchung von Stiftung Warentest hat vor kurzem ernüchternde Ergebnisse über die Qualität der Beratungsgespräche zu Tage gebracht. Vielen Finanzierungsexperten sind dabei gravierende Fehler unterlaufen.