Rosario Fuca, den alle „Rossi“ nennen, in seinem „Wohnzimmer“, der Caffè-Bar neben dem Tagblatt-Turm Foto: Tom Bloch

Stuttgarter blicken zurück auf ihr Corona-Jahr. Heute Rosario Fuca, der mit einer transplantierten Lunge lebt.

S-Mitte - Rosario „Rossi“ Fuca ist ein sogenannter Risikopatient, erst recht jetzt zu Covid-19-Zeiten. Doch er grinst, breit – und eigentlich immer. „Man muss positiv durchs Leben gehen“, sagt Rossi. „Ein Arschloch werde ich jetzt auch nicht mehr.“

Dass man den Zwang, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, als Eingriff in die Grundrechte bezeichnen kann, bringt Rosario Fuca, den alle „Rossi“ nennen, zum Kopfschütteln. „Als ich im ersten Jahr mit meiner transplantierten Lunge das Haus verlassen habe, war eine Maske Pflicht. Und es war die pure Freiheit für mich“, sagt Rossi. „Dass sich jetzt gesunde Menschen damit eingeschränkt fühlen, finde ich schon ein wenig skurril.“ Wenn man Motorrad fährt oder Ski, dann sei ein Helm ja auch ein logischer Schutz. „Ich habe kein Verständnis für die vielen wilden Theorien und habe zu ein paar Freunden auch den Kontakt abgebrochen.“

Als kleines Kind an Mukoviszidose erkrankt

Dabei sind es gerade Freundschaften, die ihn in seinem holperig verlaufenden Leben immer wieder nach vorne gebracht haben. Bei dem heute 46 Jahre alten Italo-Schwaben wurde die Lungenkrankheit Mukoviszidose diagnostiziert als er zwei Jahre alt war. Seinen Eltern wurde mitgeteilt, dass er nicht mehr lange zu leben habe. Er wächst quasi im „Olgäle“ auf – im Stuttgarter Kinderkrankenhaus, muss jeden Tag bis zu zehn Mal inhalieren und nimmt Medikamente zu sich wie Gleichaltrige Gummibärchen. Später beginnt er eine Lehre als Industrie- und Außenhandelskaufmann. Doch als währenddessen sein Lungenvolumen auf nur noch 19 Prozent schrumpft, wird er arbeitsunfähig. Einen Aushilfsjob im Fitnessstudio des MTV Stuttgart beendet er, als das Volumen seiner Lunge auf 14 Prozent gesunken ist. Nichts geht mehr. Eine Lungentransplantation wird nötig.

Und die kommt tatsächlich 2012, als ein geeigneter Spender gefunden wurde. „Da war es schon fünf nach Zwölf, denn die Antibiotika haben bei mir nicht mehr angeschlagen.“ Regelmäßig geht es danach wieder in die Nachsorgeklinik nach Tannheim, dorthin, wo er schon vor der Transplantation immer wieder zur Erholung war. Stets eng an seiner Seite, seine Familie, die weitere gesundheitliche Schicksalsschläge ertragen muss, seine Freunde, Pflegepersonal. Alles Menschen, die ihm ans Herz gewachsen sind, die ihn begleiten und ihm Kraft geben. Und wie selbstverständlich es für ihn ist, sein Erlebtes einzusetzen, um anderen zu helfen. Rossi arbeitet als Mentor für junge Mukoviszidose-Patienten, die kurz vor der Transplantation stehen. Er hält regelmäßig Vorträge aus Patientensicht für die Ausbildung von Pflegekräften für das Olgahospital. „Ich habe es ja selbst erlebt, wenn ich mit breitem Lächeln im Bett sass, und die Schwester nicht verstehen konnte, dass ich nicht kurz mal aufstehen konnte und rüber zum Tisch laufen, um selbst meine Medikamente zu holen“, erklärt Rossi. „Wenn zwei, drei Schritte für einen sind wie ein Marathon für einen Gesunden, und man anschließend komplett platt ist.“

Irgendwann kommt die Idee, sein Erlebtes aufzuschreiben. Zweieinhalb Jahre später, Ende diesen Septembers, ist sein Buch fertig, welches sich auf Anhieb gut verkauft. Und für Rossi ist klar, der Erlös wird komplett gespendet. Die ersten 1893 Euro hat der VfB-Fan schon an die Nachsorgeklinik in Tannheim übergeben.

Meine Lunge, deine Lunge

Und auch sonst schreibt er, immer am 9. Dezember, an seinen Spender. „Um schneller eins zu werden mit der Lunge, habe ich sie gleich ‚meine‘ Lunge genannt. Nur am Jahrestag der Transplantation, da schreibe ich auf Facebook einen kleinen Jahresbericht an meinen Spender, den ich nicht kenne. Da spreche ich von ‚unserer‘ Lunge.“ Er vermutet, dass sein Spender eine Frau war. „Es muss eine weibliche Lunge sein, denn die zickt manchmal rum“, sagt Rossi und lacht.

Trotz seinem Humor und trotz der intensiven Erfahrungen im Kampf gegen Ansteckung und Infektionen hat ihn Corona anfangs extrem ausgebremst – im Kopf.

„Beim ersten Lockdown im März bin ich schon selbst auch in Panik geraten, habe die Wohnung nicht verlassen und vorher Unmengen Cola gehamstert, weil ich mindestens zwei Liter davon täglich trinke, um meine Kalorienzufuhr aufrecht zu erhalten.“ Doch die Ärzte aus der Nachsorgeklinik Tannheim konnten ihn schnell beruhigen. „Die haben mir gesagt, ich sei doch Profi, da ich ja sowieso schon immer gefährdet bin.“ Hygiene-Konzepte hätten ihn schließlich schon immer begleitet. „Wenn ich im Club bin oder in ein Restaurant gehe, habe ich die Türe immer mit dem Ellbogen aufgemacht oder mit Handschuhen“, erzählt er. „Daheim bleiben ist schließlich langweilig. Ich bin viel unterwegs, gehe in Clubs und feiere mit Freunden, feiere das Leben.“

Rosario Fuca ist nicht geheilt, er muss weiterhin Immunsuppressiva und Antibiotika schlucken, regelmäßig inhalieren. Und jetzt sich auch noch gegen das Corona-Virus wappnen. Merkwürdig. Der Mensch, der sich ständig vor möglichen Infektionen schützen muss, ist selbst hochansteckend. Mit seinem Lachen, mit seiner positiven Lebenseinstellung.