Die untote Laura (Emily Browning) traut den Versprechungen von Mr. Wednesday (Ian McShane) alias Odin nicht ganz. Foto: Starz

Auch alte Götter leiden unter der Konkurrenz durch Internet und Starrummel. In der zweiten Staffel von „American Gods“ bei Amazon geht der Kampf der Veteranen gegen die Newcomer weiter: grimmig, philosophisch, lustig.

Stuttgart - Was sind die Unterschiedezwischen Göttern und Trickbetrügern? In der beim Streamingdienst Amazon Prime Video laufenden Serie „American Gods“ sind sie kaum auszumachen, schon gar nicht, wenn Ian McShane als Mr. Wednesday alias Odin alias Wotan alias viele andere Namen eine Szene dominiert. Dieser Einseifer, Intrigenspinner und Winkelzugspezialist fährt in einem betagten Straßenkreuzer mit klassicher Puddingstraßenlage umher, trägt einen abgeschabten Mantel und setzt immer mal wieder ein speckiges Strandurlaubshütchen auf, das vor Jahrzehnten seinen letzten guten Tag hatte.

Etwas geben, etwas bekommen

Der ganze Typ ist so zwielichtig, dass man nicht glauben möchte, ein durchschnittlicher Fahrkartenautomat nähme eine Münze von ihm an. Aber er schafft es, andere zu allem möglichen zu überreden. Auch wenn die schon wissen, dass ihm nicht zu trauen ist. Spricht man ihn auf seine Verlogenheit und seine Trickserien an, prostet er mit einem Whiskyglas zurück und grinst amüsiert. Um nicht zu sagen: geschmeichelt.

Götter und Trickbetrüger sind darauf angewiesen, dass man ihnen Glauben schenkt, dass man ihnen etwas gibt, weil man ihrem Versprechen vertraut, etwas zurückzubekommen. Diese Gemeinsamkeit bildet das Rückgrat der Serie, die auf einem Roman des Autors Neil Gaiman fußt. Als Menschen aus allen Ländern der Erde in die heutige USA kamen, brachten sie ihre Götter, Gebete, Jenseitsvorstellungen mit. Die himmlischen Figuren sind hier aber keine unsterblichen Wesen, sondern Erscheinungen, die sich aus menschlicher Verehrung speisen wie ein Feuer aus seinem Brennmaterial. Götter können dahinschwinden, wenn niemand mehr an sie glaubt.

Der Kobold und die Untote

Wenn der Glaube an sie aber stark genug ist, gebieten sie über die Macht, das Menschenleben zu ändern. Ein Kobold und eine Untote haben in der zweiten Staffel allerdings ein Gespräch darüber, dass man Güte, Wohlwollen, Fairness nicht erwarten sollte. „Sie verarschen uns total“, lautet die Bilanz.

Staffel zwei beginnt mit jenem Kriegsrat, auf den die erste Staffel zulief. Odin hat andere Götterveteranen wie den slawischen Hammerschwinger Czernobog (Peter Stormare) und den afrikanischen Schabernacktreiber Anansi alias Mr. Nancy (Orlando Jones) versammelt, weil die Lage bedrohlich wird. Neue Götter saugen die Aufmerksamkeit der Menschen auf, die Datenströme des Internets, die Massenmedien, die überlebensgroßen Popkulturhelden. So mächtig sind die neuen Rivalen, dass sie ein Ultimatum stellen: Assimilation oder Auslöschung.

Launische Götter

Es lohnt den Versuch nicht, mit der zweiten Staffel in diese Welt einzusteigen. Zu vieles bliebe einem unklar, zum Beispiel die Rolle des frisch haftentlassenen Shadow Moon (Ricky Whittle), den Odin als Reisebegleitung angeheuert hatte. Doch ist das Nachsitzen der ersten Staffel Vergnügen, keine Pflicht. Diese Serie musste sich in ihre Figuren, Szenerien, Möglichkeiten nicht langsam einfinden, sie war von Anfang an auf der Höhe.

Allerdings kann man die Tonart, die Stimmung, den Ironiefaktor von „American Gods“ nicht nach einer und auch nicht nach zwei Folgen einschätzen. Mal geht sie ernst, fast philosophisch an ihren Stoff heran, dann als herrlich absurde schwarze Komödie, dann wieder fährt sie die explizite Grimmigkeit eines Horrorfilms auf. Das ist kein Fehler der alten Showrunner Bryan Fuller und Michael Green oder ihres Nachfolgers Jesse Alexander.

Der ständige Wechsel der Tonarten und die Ungewissheit, ob eine komische oder eine dramatische Wendung zu erwarten ist, unterstreichen die Unberechenbarkeit der Götter mit ihren gefährlichen Launen. Die Menschen, die in die Händel dieser Wesen hineingezogen worden sind, können nie sicher sein, was ihnen blühen und was sich als ganze, was nur als halbe Lüge erweisen wird.

Lieber gut als fix

Shadow Moon kann noch immer nicht einschätzen, warum er wie auf dem Spielfeld der Götter umhergeschoben wird und wozu ihn Odin wirklich angeheuert hat. Er weiß aber bereits, dass auf ihn so oder so ein bitteres Ende wartet: Er hat sein Leben verwettet und agiert nur noch in geborgter Zeit. Die bei einem Verkehrsunfall getötete Laura (Emily Browning) dagegen läuft als allmählich zerfallender Leichnam umher und sucht einen Gott, der ihr das alte Leben wiedergeben kann. In dem hat sie so unglücklich agiert, dass man sich fragt, was wohl bei einer zweiten Chance auf sie warten würde.

Dass die Serie nicht ins Chaotische auseinanderfällt, liegt aber an vielem: an den großartigen Schauspielern, die auch ulkige Figuren sehr ernst nehmen, an der Ausstattung, die nicht grell Fantastisches aufhäuft, sondern das Alltägliche mit neuer Bedeutung auflädt, und an einer Regie, die Götter vom Podest holt, ohne in billige Religionsverhöhnung abzugleiten. Neil Gaiman ist als einer der Produzenten immer noch mit an Bord, und er kann auch zwei Jahre Wartezeit auf die zweite Staffel erklären: „Wir wollten lieber gut sein als fix.“

Verfügbarkeit: „American Gods“ ist beim Streamingdienst Amazon Prime Video abrufbar, bislang zwei Staffeln mit je 8 Folgen