Der Amerikaner Cody Wilson mit seiner Waffe „Liberator“ aus dem 3-D-Drucker Foto: AP/Eric Gay

Waffen aus dem 3-D-Drucker: Ist das eine neue Gefahr? Nach dem Anschlag von Halle stellt sich diese Frage umso dringlicher. Ein Sachverständiger des Landeskriminalamts sagt: Noch nicht. Aber Aufmerksamkeit empfiehlt sich, denn die Werkzeuge werden besser.

Stuttgart - Der Attentäter von Halle wollte mit seinem Mordplan nicht zuletzt die Funktionsfähigkeit von improvisierten Waffen unter Beweis stellen. Dies geht jedenfalls aus einem im Internet kursierenden „Tatplan“ hervor, den die Polizei dem Täter zuordnet. Darin präsentiert dieser auch sein tödliches Arsenal: Fünf der sechs abgebildeten Schusswaffen sind demnach selbst gebaut – ob eigenhändig von ihm oder von anderen, ist noch nicht bekannt. Eine davon, die er „Plastic Luty“ nennt, besteht erkennbar aus Teilen, die mit einem 3-D-Drucker fabriziert wurden, und die Polizei fand bei dem Attentäter auch ein solches High-Tech-Werkzeug. Deshalb tauchte in den vergangenen Tagen die Horrorfrage auf: Rüsten Kriminelle und Terroristen nun im Hobbykeller auf?

„Waffen aus dem 3-D-Drucker sind uns bisher noch nicht untergekommen“, sagt Thilo Böttcher, Sachverständiger für Schusswaffen beim Landeskriminalamt. Und er glaubt auch nicht, dass sich damit funktionsfähige Waffen mir nichts dir nichts herstellen lassen. Schon gar nicht preiswert. Denn die gängigen, für wenige hundert oder tausend Euro erwerbbaren Drucker verwenden sogenannte Polylactide. Das ist eine leichte, oft für Verpackungen verwendete Kunststoffart, die in einem Drucker Schicht für Schicht verklebt wird. Die halte dem extremen Gasdruck, der in einer Schusswaffe entsteht, niemals stand, sagt Böttcher: „Da entstehen bis zu 4000 bar, im Autoreifen haben Sie zweieinhalb.“ Außerdem seien die Teile nicht exakt genug gearbeitet, „maßhaltig“, wie der Fachmann sagt. Das heißt allerdings nicht, dass solche Waffen überhaupt nicht funktionieren. Das sei auch eine Frage der Munition, sagt Böttcher.

Baupläne en masse

Der US-amerikanische Waffenfan Cody Wilson hat schon 2013 eine Bauanleitung für eine Plastik-Pistole ins Netz gestellt, die komplett aus dem 3-D-Drucker stammt. Seit dieser Zeit liegt er im Clinch mit den amerikanische Behörden, die ihm das verbieten wollen. Doch mittlerweile haben weltweit zahllose Nachahmer den „Liberator“, wie er seine Ein-Schuss-Pistole nennt, nachgebaut – darunter auch das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei. 2012 und 2013 haben sie mehrere „Liberators“ gefertigt und getestet. Manchmal hätten sie funktioniert, sagt Böttcher, manchmal habe es sie zerfetzt.

„Ergebnis war, dass es aus derzeitiger Sicht unwahrscheinlich ist, dass mit den geprüften Druckdateien schussfähige und zuverlässige Schusswaffen hergestellt werden können“, fasst die Bundesregierung im vergangenen Jahr die Tests in einer Antwort auf eine Anfrage der AfD-Fraktion zusammen. Einer Beschussprüfung könnten Kunststoffwaffen „nicht standhalten“. Allerdings schreitet die Technik voran. Moderne 3-D-Drucker sind auch in der Lage, Metalle zu schichten. Und in den USA kamen auch schon Waffen aus computergesteuerten Fräsmaschinen auf den Markt. Doch solche Geräte sind nur von Spezialisten zu bedienen und kosten überdies -zigtausende Euro. „Im Gegensatz dazu sind – bei vergleichbarer krimineller Energie – illegale Schusswaffen leichter zu beschaffen“, antwortet die Bundesregierung der AfD.

Problem Flughäfen

So überrascht es nicht, dass legale Waffen aus dem 3-D-Drucker derzeit nicht im Nationalen Waffenregister verzeichnet sind. Eine Verschärfung des Waffenrechts hält die Bundesregierung denn auch nicht für notwendig – zumal bisher keine solche Schusswaffen bei Straftaten verwendet wurden. Wer Waffen ohne rechtliche Erlaubnis besitzt, macht sich ohnehin strafbar. Gleichwohl nähmen die Sicherheitsbehörden das Thema weltweit ernst, heißt es in einem Bericht des Bildungs- und Technologieausschusses des Bundestags zur Zukunft des 3-D-Drucks. Vor allem weil Kunststoffwaffen Marke Eigenbau leichter durch die Sicherheitskontrollen an Flughäfen geschleust werden können. Doch noch ist die 3-D-Waffe kein Massenphänomen.

Deutlich häufiger haben es die Spezialisten des LKA mit umgebauten Schreckschusswaffen zu tun. „Das ist ein richtiges Geschäftsmodell, die Ermittler haben schon ganze Werkstätten ausgehoben“, sagt Böttcher. Für versierte Bastler sei es kein Problem, eine Dekorationswaffe in eine scharfe Waffe zurückzuverwandeln. Auch für Gewehre, deren Einzelteile quasi aus dem Baumarkt stammen, kursieren Bauanleitungen im Netz. So hat der Täter von Halle mit einer Schrotflinte einfachster Bauart („12 gauge Slambang-shotgun“) versucht, die Tür zur Synagoge zu öffnen. Auch eine Ein-Schuss-Pistole befand sich in seinem Arsenal, und schließlich ein Modell, das in dieser Szene geradezu Fetisch-Charakter besitzt: Eine „Luty SMG 9 mm Parabellum“ Maschinenpistole.

Trotz aller Bauanleitungen hat der Anteil von Straftaten, bei denen Waffen verwendet wurden, nicht zugenommen. Das hat einen einfachen Grund: „Grundsätzlich wird der Einsatz von Waffen eher gescheut – denn die Strafandrohung ist deutlich höher“, sagt der Sprecher des LKA, Jörg Lauenroth.