Münze werfen bei der Hochzeit: Szene aus „The Man with a Coin“ Foto: First Steps

Der Nachwuchspreis First Steps gilt als wichtiges Sprungbrett für junge Filmemacher. Auch sechs Absolventen der Filmakademie Baden-Württemberg dürfen sich Hoffnungen machen vor der Verleihung an diesem Montag.

Stuttgart - Die besten Abschlussfilme deutscher Filmhochschulen werden bei First Steps prämiert, dem wichtigsten deutschen Preis für junge Filmschaffende, der im Jahr 2000 als private Initiative der Filmbranche und Wirtschaft ins Leben gerufen wurde. Preisgelder in Höhe von insgesamt 115 000 Euro werden in neun Kategorien verliehen und geben Regisseuren, Drehbuchautoren und Produzenten eine Starthilfe für neue Projekte. Mentoren der Deutschen Filmakademie unterstützen die Preisträger. Überdies bietet First Steps die Möglichkeit, Kontakte in die Branche zu knüpfen. An diesem Montag werden Preise 2018 im Theater des Westens in Berlin verliehen – und sechs der Nominierten sind Absolventen der Ludwigsburger Filmakademie.

Beziehungsfettnäpfe in Serie

Die Sitcom ist eine Königsdisziplin, die in Deutschland in ernstzunehmender Form praktisch nicht existiert – darum muss man schon froh sein, wenn sich überhaupt jemand heranwagt. So wie die Produktions-Absolventin Helena Hofmann aus Schwäbisch Hall, die passenderweise für den No Fear Award (Keine Angst Preis) nominiert ist mit ihrem Diplomprojekt, der Pilotfolge der Serie „Zum Goldenen Lama“.

In einer Mischung aus Studentenkneipe und WG – hier könnte sie sich noch klarer entscheiden – sind da sechs junge Menschen damit beschäftigt, von einem komödiantischen Beziehungsfettnapf in den nächsten zu treten. Die Vorbilder sind US-Serien wie „Friends“ und „Big Bang Theory“ – womit klar wäre, wie hoch die Latte in dieser Kategorie liegt. Ganze Teams von Autoren sind in den USA in Vollzeit damit beschäftigt, Gag an Gag zu reihen, das darf man von Hofmann und ihre beiden Co-Verfassern nicht erwarten – noch zündet bei ihnen nur jeder dritte, vierte Gag, doch die Richtung stimmt, ein gewisser Witz ist vorhanden. Auch das so entscheidende komödiantische Timing der Darsteller ist noch ausbaufähig, aber sie haben ihre Momente.

Besonders mutig: Hofmann hat mit einem kompliziert zu arrangierenden Multiple-Camera-Setup live vor Publikum gedreht. Selbiges bestand wohl aus Komilitonen, die sich ordentlich amüsieren und viel lachen. Wenn die furchtlose Helena Hofmann bei „First Steps“ den Preis und die damit verbundenen 10 000 Euro gewänne, gäbe ihr das Luft, weiter am Konzept zu feilen und Produktionspartner zu suchen.

Lebensentscheidungen per Münzwurf

Beim Werbefilmen sind die Ludwigsburger auf First-Steps-Nominierungen fast schon abonniert. Auch in diesem Jahr haben sie wieder zwei von fünf Nominierungen geholt, auch hier liegt das Preisgeld bei 10 000 Euro. „Alles Kopfsache“ – so könnte Zornitsa Dimitrovas Clip „Head“ auf Deutsch heißen, wenn er nicht an eine Marke gebunden wäre.

Um einen entscheidungsschwachen jungen Mann dreht sich Christian Schillings Clip „The Man with a Coin“ – an jeder Weggabelung seines Lebensweges lässt er die Münze entscheiden, wo es für ihn weitergeht. Eine Weile lang geht das gut, denn er hat Glück, doch ausgerechnet vor dem Hochzeitsaltar bekommt er von der Münze ein „Nein – und eine schallende Ohrfeige seiner Braut dazu. Schilling, geboren in Heppenheim, hat seinem gewitzten Anderthalbminüter einen artifiziellen, klinischen Look verpasst, der zum Defekt der kauzigen Hauptfigur passt.

Nächtliche Entschleunigung in Taipeh

Das Nachtleben in der taiwanesischen Hauptstadt Taipeh hat Nicole Vögele unter die Lupe genommen in ihrem Dokumentarfilm „Closing Time“ – allerdings das unglamouröse Nachtleben derer, die im Dunkeln arbeiten. Unkommentiert beobachtet Vögele ein Ehepaar, das einen Schnellimbiss betreibt, und dessen Gäste: Taxifahrer, ein Paar, das Spielautomaten leert, der Tätowierer nebenan. Während die Suppe blubbert, Karotten geschält, Münzen gezählt und Drachenmotive in Haut gestochen werden, überträgt sich die Entschleunigung in den impressionistischen Bildern auf die Zuschauer. Während ein Motorroller unter Neonleuchten repariert wird, nachen sich zwei Taiwanesen über die reinlichen Deutschen lustig.

Die Regisseurin aus Gretzenbach in der Schweiz konkurriert mit vier Absolventen anderer Schulen um 15 000 Euro Preisgeld, in Locarno hat sie in diesem Jahr bereits den Spezialpreis der Jury gewonnen.

Häusliche Gewalt und der Fluch der Provinz

Zu den unter Wert verkauften Professionen zählten im Filmgeschäft lange die Drehbuchautorenschaft. Die Coen Brothers haben das Phänomen in „Barton Fink“ (1991) bearbeitet und zuletzt in „Hail Caesar!“ noch einmal aufgegriffen, Peter Jackson verbannte in „King Kong“ (2005) den Drehbuchautoren des Filmteams, das auf die Insel des Riesenaffen reist, in einen Stall unter Deck. Das hat sich geändert seit dem Aufkommen der Qualitätsserien, deren Schöpfer ganz selbstverständlich im „Writers‘ Room“ stitzen, dem Nukleus des Produktionsprozesses.

Gleich zwei in Ludwigsburg ausgebildete Autorinnen gehen nun mit noch unverfilmten Spielfilm-Drehbüchern bei First Steps ins Rennen – bei drei Nominierten und einem Preisgeld von 10 000 Euro. Alexa Gross, geboren in Ludwigshafen, widmet sich in ihrem Drama „Am Ende der Schuld“ den Folgen häuslicher Gewalt, einem gesellschaftlichen Tabuthema, das durch die Metoo-Debatte zunehmend in den Fokus rückt. Nach dem Suizid einer jungen Frau sind deren Schwester und Mutter fest entschlossen, deren gewalttätigen Ehemann juristisch zur Verantwortung zu ziehen – was sich natürlich als ausgesprochen schwierig erweist.

Aus Passau stammt Janett Lederer, die in ihrem Buch „Der Storch ist tot“ eine Geschichte übers Heranwachsen erzählt. Eine 13-jährige möchte nichts wie fort aus ihrem Dorf, in dem sie zu versauern droht. Auf der Hochzeit ihres Bruders trifft sie einen Schauspieler aus der Stadt, der sie mitnehmen soll – doch der sagt ihr, Sie müsse erst lernen, was Liebe ist. Eine Gelegenheit dazu lässt nicht lange auf sich warten – allerdings eine mit Folgen. Gross möchte ihr Buch selbst verfilmen, Lederer hat eine Produktionsfirma gefunden.