Vanessa Grimberg hat sich richtig entschieden und schwimmt bei den deutschen Meisterschaften Bestzeit. Foto: dpa

Die Ludwigsburgerin Vanessa Grimberg, die in Stuttgart trainiert, verweigert sich dem neuen System des Deutschen Schwimmverbandes DSV. Trotz Bestzeiten bekommt sie das zu spüren – und übt scharfe Kritik.

Berlin/Stuttgart - Am Beckenrand herrscht starker Wellengang. Die gewaltigen Wogen, welche die von Bundestrainer Henning Lambertz vorangetriebene Neuausrichtung im deutschen Schwimmsport schlägt, waren auch bei den nationalen Meisterschaften von Donnerstag bis Sonntag in Berlin allgegenwärtig. Mittendrin im Getose: Vanessa Grimberg (Ludwigsburg).

Die 24-jährige Olympiateilnehmerin vom SB Schwaben Stuttgart verliert zum 1. Juli ihre Stelle als Sportsoldatin bei der Bundeswehr. Denn sie lehnt es ab, im Zuge der Zentralisierung ihren Trainingsort von Stuttgart an den Bundesstützpunkt nach Heidelberg zu verlagern. Das sieht Bundestrainer Lambertz („Ein einzelner Schwimmer wird es schwer haben, sich mit dem Heimtrainer in die Weltspitze weiterzuentwickeln“) aber als Grundlage für den Erfolg an – und als Grundlage für eine Förderung.

Für Vanessa Grimberg war es insofern eine kleine Genugtuung, bei den deutschen Meisterschaften ihren Titel über 100 Meter Brust in 1:07,80 Minuten verteidigt zu haben – in neuer Bestzeit! „Es war wichtig, zu zeigen, dass ich mich richtig entschieden habe, dass es läuft. Auch wenn der Bundestrainer meint, es ist nicht so, war es ein klares Statement, dass es so richtig ist“, sagt die Blondine, die die Norm für die Weltmeisterschaften Mitte Juli in Budapest (1:06,73 im Finale) allerdings klar verpasste. Auf ihrer Paradestrecke 200 Meter Brust wurde sie – ebenso wie über 50 Meter Brust – hinter Jessica Steiger aus Gladbeck Zweite.

Grimberg ist kein Teil des Olympiakaders mehr

Wenn Vanessa Grimberg über die jüngsten Vorgänge spricht, fällt oft das Wort traurig. Sie ist enttäuscht. Fast schon ein bisschen wütend. „Ich finde es einfach traurig, als Bundestrainer meinen Stützpunkt abzuurteilen, ohne mich je dort besucht zu haben“, sagt Vanessa Grimberg. „Es wurde von Bundestrainer-Seite viel berichtet, auch viele Tatsachen, die so nicht stimmen.“ Henning Lambertz hatte gegenüber unserer Zeitung im Zusammenhang mit dem Wechsel nach Heidelberg geäußert, ihm würde es „ja reichen, wenn sie vielleicht zwei oder drei Tage in der Woche dort trainiert“. Laut Vanessa Grimberg hat er ihr dieses Angebot nie gemacht und ihr vielmehr schon kurz vor Ablauf eines Wechselultimatums den Platz in der Sportfördergruppe der Bundeswehr entzogen: „Das war für ihn schon klar. Es war eine klare Absage mir gegenüber, das hätte man nicht klarer ausdrücken können.“

Auch ein Gespräch zur individuellen Trainingsplanung sei ihr verweigert worden. Teil des Olympiakaders ist sie auch nicht mehr. Abserviert. Mit 24 Jahren zu alt und zu weit weg von der Weltspitze, als dass sich eine Förderung noch lohnen würde – das ist die harte Realität, die diese an harten Fakten orientierte Neuausrichtung des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) mit sich gebracht hat. Große Umwälzung statt kleine Kurskorrektur heißt es nach zwei Olympia-Debakeln hintereinander ohne Medaille. 2020 in Tokio muss Lambertz, seit 2013 im Amt, liefern. Sein Lösungsansatz fußt auf drei Säulen: Es gibt seit September 2016 ein verbindliches neues Krafttrainingskonzept. Die Normen wurden deutlich nach oben gesetzt. Und die Athleten sollen an den fünf Bundesstützpunkten (Essen, Hamburg, Heidelberg, Berlin sowie ein noch offener Ort) zusammengezogen und von ausgewählten Trainern angeleitet werden. Nur wer voll mitzieht, wird weiterhin gefördert.

Olympia 2020 behält Grimberg trotzdem im Blick

Seine Kritiker, etwa der langjährige Paul-Biedermann-Erfolgscoach Frank Embacher, werfen ihm einen Alleingang vor. Henning Lambertz vermisst sinnvolle Gegenvorschläge und den Mut zur Veränderung, eine Aufbruchstimmung. „Er kommuniziert nur mit den Leuten, mit denen er möchte. Wenn ich als Sportler beobachte, dass manchen Trainern das Händeschütteln verweigert wird, ist es nicht richtig, sich nach außen hin in der Presse gleichzeitig als Bundestrainer mit der besten Kommunikation hinzustellen“, sagt Vanessa Grimberg, „die kritischen Stimmen werden immer lauter.“ Sie steht nicht alleine mit ihrer Haltung, in Berlin hat sie viel Zuspruch von anderen Trainern und Athleten erfahren. „Es ist traurig, was im DSV intern passiert, das ist sehr demotivierend. Die Augen werden verschlossen, Dinge totgeschwiegen“, sagt sie.

In Anbetracht des Ausscheidens aus der Sportfördergruppe der Bundeswehr hat sich Vanessa Grimberg, die an der Fernuniversität Ansbach International Management studiert, als Werksstudentin beworben. Die Bedingungen werden schwieriger, die Zeiten für Regeneration oder Physiotherapie weniger. Olympia 2020 behält sie trotzdem im Blick. Sie will allen zeigen, dass es auch auf ihre Art geht: „Steine hat ja jeder auf seinem Weg. Aber man kann sie aus dem Weg räumen – und ein Schloss damit bauen.“