Zahlreiche tote Schafe werden von Vertretern der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) und der Forstverwaltung Calw untersucht. Ein Wolf ist vermutlich für die toten Tiere verantwortlich. Foto: dpa

Wer hat Angst vorm Wolf? Vor Ort ziemlich viele. Weiter weg trifft er auf mehr Verständnis. Im Nordschwarzwald geht schon der Begriff „Problem-Wolf“ um.

Bad Wildbad - Es erinnert an die Diskussion um den Nationalpark Nordschwarzwald vor einigen Jahren: Diejenigen weiter weg stören sich nicht an ihm, die nah dran sind eher skeptisch oder wollen ihn nicht. Doch diesmal geht es um einen einsamen Wolf, der aus einem Rudel in Niedersachsen stammt und in den Schwarzwald eingewandert ist. Seit einer blutigen Attacke auf eine Schafherde im Frühjahr in Bad Wildbad, bei der in einer Nacht mehr als 40 Tiere starben, ist die Verunsicherung groß. Einen Eindruck davon bekam Umweltstaatssekretär Andre Baumann (Grüne) bei einer Info-Veranstaltung des Landes.

Der Grünen-Politiker war am Montagabend in den 11 000-Einwohner-Ort im Kreis Calw gekommen, um das neue Wolfsgebiet im Nordschwarzwald vorzustellen und um Verständnis zu werben. Mitgebracht hatte er viel Zeit, jede Menge Info-Material und rund 30 Ansprechpartner aus der Naturschutzverwaltung, an die sich interessierte Bürger mit ihren Fragen und Sorgen wenden konnten.

Wie gefährlich ist der Wolf?

Wie gefährlich ist der Wolf für Haus- und Nutztiere, wie für den Menschen? Wie können Herden geschützt werden, und was tut das Land? Das waren nur einige Fragen, die an Themeninseln gestellt werden konnten. Information und Gespräch statt langer Vorträge und Debattenrednern vor großem Publikum.

Bei Christina Keppler aus Schömberg kam das gut an. „Es wird viel zu viel auf emotionaler Ebene bei dem Thema diskutiert.“ Als das Land vor Jahren im selben Saal für den Nationalpark warb, haben alle gejohlt, erinnert sie sich.

Anders an diesem Montagabend in der Kurpark-Trinkhalle, die unbestuhlt bis zu 1000 Menschen fassen kann: Gut 300 Interessierte sind gekommen. Es gibt viel Beifall für Bürgermeister Klaus Mack (CDU), der die Sorgen artikuliert. „Gäste fragen, ob sie beim Wandern noch sicher sind.“ Und als Vater fragt er sich: „Man soll sich ja bei der Begegnung mit dem Wolf groß machen - wie soll ich das meiner vierjährigen Tochter erklären?“ Die grün-schwarze Landesregierung müsse rechtzeitig handeln - und den Wolf ins Jagdrecht aufnehmen.

Tiere waren ungenügend geschützt

Höflichen Applaus gibt es auch für den Staatssekretär, der Gemeinsames heraufbeschwört: Er habe sich den Wolf auch nicht gewünscht. Seine Rückkehr erschwere die angespannte Lage in der Weidetierhaltung. „Die Sorgen der Schäfer, Ziegen- und Weiderindhalter sind auch meine Sorgen.“ Grindenmoore, Wacholderheiden und Borstgrasrasen könnten schließlich nur durch eine Beweidung erhalten werden. „Hunderte Tier- und Pflanzenarten hängen existenziell an ihr“, so der engagierte Naturschützer.

Er sagt aber auch, dass überall dort, wo der Wolf zuschlug, Tiere ungenügend geschützt waren. Zu leicht dürfe man es dem Wolf nicht machen. Weidetierhalter sollten doch das Förderangebot des Landes nutzen und Schafe und Ziegen besser einzäunen.

Im Plenum widerspricht niemand, doch danach kocht die Wut bei einigen hoch: „Wir sollen lernen, wie man Zäune macht von Leuten, die noch nie einen Zaun gemacht haben“, ärgert sich Hans-Jochen Burkhardt, der 200 Rinder auf der Weide stehen hat. Alle am Waldrand. „Man kann Kühe nicht wolfssicher einzäunen.“ Und er zeigt auf seinem Smartphone ein Video von einer Kuh außerhalb Baden-Württembergs, die von einem Wolf übel zugerichtet wurde.

Er fühlt sich vom Ministerium nicht ernst genommen. „Auf meine Fragen gab es vier Monate keine Antwort.“ Auch sei das Ministerium mit der Info-Veranstaltung einer offenen Diskussion aus dem Weg gegangen. Das sehen auch andere Rinder- und Schafhalter am Tisch so. „Die haben aus der Diskussion um den Nationalpark gelernt.“

Nur ein Wolf dauerhaft im Südwesten

Von „Wolfs-Romantik“ ist die Rede und davon, dass die Wahrheit nur scheibchenweise ans Licht kommt. Oder gar einiges vertuscht werde. So berichten einige, dass der Wolf schon nahe an den Häusern in Enzklösterle war und zwei Pferde in Simmersfeld angegriffen habe. Dem Ministerium ist der Fall bekannt, bezweifelt aber, dass ein Wolf die Pferde verletzte. „Das wäre unüblich“, meint einer der Experten.

Der Wolf mit dem Kürzel GW852m, der Ende April in Bad Wildbad Schlagzeilen machte, ist nach Wissen des Ministeriums der einzige, der sich derzeit dauerhaft im Südwesten aufhält. Doch ist er wirklich ein Einzeltier? Manche glauben nicht, dass ein Wolf aus Norddeutschland alleine in den Südwesten fand.

Wolf GW852 riss schon wiederholt im Nordschwarzwald Schafe und Ziegen. Es gibt mehr als ein Dutzend gesicherte Nachweise von ihm. Auch die jüngsten drei Schafsrisse in Gernsbach (Kreis Rastatt) am vergangenen Wochenende dürften auf sein Konto gehen. Setzte sich das Raubtier nur an den gedeckten Tisch, weil die Schafe zu schlecht gesichert waren? Das Ministerium geht davon aus.

Burkhardt und andere vermuten eher einen „Problem-Wolf“. Dafür müsste das Tier nach Experten-Definition aber eine Herde schon mehrfach attackieren und aggressiv gegenüber Menschen auftreten. Dann wäre er auch nach dem Naturschutzgesetz abschussreif. „Wenn es sein muss, genehmigen wir auch das Töten eines Tieres“, betonte Baumann. „Eine Wolfs-Romantik wird es nicht geben.“