Mathias Wagner ist der neue Fraktionschef der Grünen in Hessen. Foto: Grüne Hessen

Schwarz-Grün übernimmt am Samstag die Regierung in Hessen – Grünen-Fraktionschef Wagner über Vertrauen und Angst.

Schwarz-Grün übernimmt am Samstag die Regierung in Hessen. Der Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner spricht im Interview über Vertrauen und Angst.
Wiesbaden - Herr Wagner, eine schwarz-grüne Koalition „ausgerechnet“ in Hessen – kann man das noch hören, oder nervt es langsam?
Man kann es noch hören. Der hessische Landtag hat die Tradition, dass sich die Parteien nichts schenken und dass es eine besonders zugespitzte Auseinandersetzung zwischen ihnen gibt. Insofern haben wir die vergangenen Jahre selber hart an diesem Ruf gearbeitet – da darf man sich nicht beschweren, wenn einem dieser Ruf auch vorgehalten wird. Vielleicht ist eine Koalition, die diese Lagergrenzen überspringt, eine Chance, insgesamt zu einer sachlicheren Debatte im hessischen Landtag zu kommen.
Worin sehen Sie noch Chancen dieser schwarz-grünen Koalition?
Aus Sicht der Grünen liegen die Chancen ganz klar in der Verwirklichung von Inhalten, die uns wichtig sind.
Zum Beispiel?
In der Bildungspolitik für mehr Bildungsgerechtigkeit zu sorgen oder unsere Forderung nach einer Bildungs- und Betreuungsgarantie für alle Grundschüler umzusetzen. Oder unsere Forderung nach einem Sozialbudget, mit dem soziale Initiativen wieder und dauerhaft verlässlich finanziert werden können. Und was den Stil im Parlament betrifft, liegt in diesem Lagersprung tatsächlich die Chance, mal wieder stärker hinzugucken, was wird gesagt, und nicht, wer sagt es oder welche Partei. Daraus kann etwas ganz Spannendes entstehen.
Aber es wird sicher auch Schwierigkeiten geben.
Die Herausforderung wird sein, dass diese zwei Parteien zum ersten Mal in Hessen zusammenarbeiten. Wir haben keine Tradition, noch keine Mechanismen, sprechen teilweise unterschiedliche Sprachen. Man wird sich erst aneinander gewöhnen und Verfahren vereinbaren müssen. Es wird die ersten Wochen sicher auch mal rumpeln. Es wäre ja sehr ungewöhnlich, wenn dem nicht so wäre. Aber so, wie wir die CDU in den letzten Wochen erlebt haben, gibt es sowohl bei der Union als auch bei uns eine große Bereitschaft, das Miteinander zu versuchen und konstruktiv und fair gemeinsam zu gestalten.
Was musste dafür größer sein: der Integrationswille der CDU oder die Bereitschaft der Grünen, ihr Erbe hinter sich zu lassen?
Ich glaube, beide haben sich bewegt. Wer mehr, kann ich nicht sagen. Es gab von beiden Seiten die Bereitschaft, offen in die Gespräche hineinzugehen und dem anderen genau zuzuhören und ihn auch genau zu verstehen. Und das nach langen Jahren im hessischen Landtag, in dem es das Wesentliche war, sich missverstehen zu wollen. Diese Bereitschaft hat am Ende dazu geführt, dass eine Vertrauensbasis entstanden ist. Die muss sich jetzt natürlich in dieser Koalition vertiefen.
Die hessische SPD wirft den Grünen vor, sich sehr billig an die CDU verkauft zu haben.
Also, das kann ich gar nicht nachvollziehen. Und außer diesem plakativen Spruch hat uns die SPD noch nicht gesagt, an welchen Inhalten sie das festmacht.
Die Grünen haben zum Beispiel nur zwei Ministerposten erhalten.
Das sind aber riesige Ressorts. Tarek Al-Wazir hat die komplette Wirtschaftspolitik, die komplette Verkehrspolitik und die komplette Energiepolitik. Das ist in anderen Bundesländern entweder auf mehrere Ressorts verteilt oder nicht in grüner Verantwortung. Das Gleiche gilt für Priska Hinz und das Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, ländlichen Raum und Landwirtschaft. Auch das ist in anderen Landesregierungen von den Zuständigkeiten her auf mehrere Minister verteilt. Bei uns liegt das in einer Hand. Insofern haben wir nicht den Eindruck, wir hätten zu wenig zu tun in dieser Regierung. Uns Grünen war es in den Koalitionsverhandlungen wichtiger, dass alles aus einem Guss kommt, anstatt die Zahl der grünen Köpfe zu erhöhen.
Die Luftfahrtbranche fordert aktuell eine dauerhafte Nachtflugoption an den wichtigsten Flughäfen – also auch Frankfurt. Bringt das die neue Koalition jetzt schon ins Wanken?
Nein, da wackelt nichts. Wir nehmen die Forderungen zur Kenntnis. Für uns als Regierungskoalition gilt maßgeblich, was im Koalitionsvertrag steht. Da haben wir uns das gemeinsame Ziel gesetzt: Lärmpausen von sieben Stunden in der Nacht. Wir werden das Gespräch mit allen suchen, die das anders sehen. Aber unsere Haltung als schwarz-grüne Koalition ist völlig klar.
Mit welchem Gefühl gehen Sie am Samstag in den Landtag? Mit Freude oder mit Angst?
Angst nicht. Vorfreude, Aufregung, Spannung. Die konstituierende Sitzung eines Parlaments ist immer ein spannender Moment in der Demokratie – und dies ist nun gepaart mit der Vorfreude, in der Regierungsverantwortung Hessen tatsächlich grüner und gerechter machen zu können. Darauf freuen wir uns.