Unterricht mit Hilfe eines "Interactive Whiteb oards", einer digitalen Schultafel Foto: dpa

Angestellte Lehrer in Baden-Württemberg werden vor den Sommerferien entlassen, um nach sechs Wochen wieder eingestellt zu werden.

Stuttgart - Monika F. ist eine gefragte Frau: Seit mehreren Jahren unterrichtet die promovierte Diplom-Biologin an einem Gymnasium in Baden-Württemberg Biologie, seit 2007 auch das neue Fach Naturwissenschaft und Technik. Doch jedes Mal vor den Sommerferien muss sie einen Antrag auf Arbeitslosengeld stellen und gleichzeitig eine Ausnahmegenehmigung beantragen, damit sie mit ihrer Familie zwei Wochen in Urlaub fahren kann.

Denn Monika F. ist nicht wie die meisten ihrer Kollegen als Beamtin eingestellt, sondern erhält als Angestellte nur 10,5-Monats-Verträge als Vertretungslehrerin. Eine feste Stelle könne man ihr nicht geben, weil sie lediglich Biologie studiert habe, erklärte man ihr in dem für sie zuständigen Regierungspräsidium. Dabei könnte sie auch Chemie unterrichten - während ihrer Doktorarbeit und der anschließenden Forschungstätigkeit hat sie sich intensiv damit befasst. Und im Fach Chemie fehlen Lehrer.

Monika F. ist kein Einzelfall. Im Schuljahr 2007/08 unterrichteten an den Schulen in Baden-Württemberg knapp 2500 Lehrer mit befristeten Verträgen. Zwei Drittel von ihnen kehrten auch im darauffolgenden Schuljahr wieder an die Schule zurück, jeder Vierte allerdings erneut nur mit einem befristeten Vertrag.

Die Schulen sind von dieser Regelung für die Vertretungslehrer nicht begeistert. Denn sie können nicht langfristig planen. Die Schulleitung an Monika F.s Schule könnte die Biologielehrerin gut in der Oberstufe gebrauchen - und diese würde auch gern ältere Schüler unterrichten - doch niemand möchte riskieren, dass sich die Schüler möglicherweise ein Jahr vor dem Abitur auf einen neuen Lehrer einstellen müssen. Denn F.s Vertrag könnte vom Regierungspräsidium ja nicht verlängert werden.

Auch die Referendare, die in der Regel im Juli den praktischen Teil der Lehrerausbildung beenden, werden am letzten Schultag entlassen. Selbst wenn sie für das folgende Schuljahr bereits eine Stellenzusage haben, müssen sie sich erst einmal arbeitslos melden. Weil sie während des Vorbereitungsdienstes Beamte auf Widerruf waren, haben sie keine Sozialversicherungsbeiträge bezahlt, und deshalb haben sie auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Stattdessen müssen sie Hartz IV beantragen.

Die Landesregierung verweist in Sachen Vertretungsverträge auf die Landeshaushaltsordnung, die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verlange. Weil sich die Zahl der Schüler und Klassen jährlich ändere und durch bildungspolitische Entscheidungen - etwa die Senkung des Klassenteilers - zusätzlicher Lehrerbedarf entstehen könne, werde "zielgerichtet auf das neue Schuljahr die Zahl der notwendigen Lehrkräfte und gegebenenfalls der notwendigen Einstellungen ermittelt", antwortete Kultusminister Helmut Rau (CDU) auf eine Landtagsanfrage der SPD. Auch bei den Referendaren sieht das Ministerium keinen Änderungsbedarf. "Nur weil im öffentlichen Schuldienst aus pädagogischen und organisatorischen Gründen der Schulbetrieb nach Schuljahren ausgerichtet ist, begründet dies keinen Anspruch auf unmittelbare Übernahme in den Schuldienst am letzten Schultag."

Die Lehrerverbände dagegen halten die Praxis der Landesregierung für falsch und fordern eine Gleichbehandlung mit den festangestellten Kollegen. Das hat auch die SPD-Fraktion im Landtag kürzlich beantragt. Die Regelung sei nicht nur "beschäftigungspolitisch falsch und gegenüber den Betroffenen unsozial", kritisierte der SPD-Abgeordnete Gunter Kaufmann, sie sei auch "pädagogisch unsinnig und organisatorisch sehr aufwendig". Weder Schulleitung noch die betroffenen Lehrer könnten sich angemessen auf das neue Schuljahr vorbereiten. Die Grünen-Abgeordnete Renate Rastätter wies darauf hin, dass ein Teil der Betroffenen in andere Bundesländer abgewandert seien, weil sie dort eher eingestellt wurden. Deshalb müsse das Kultusministerium jetzt in anderen Ländern umständlich um Lehrer werben.

Mit der Mehrheit von CDU und FDP wurde der SPD-Antrag allerdings abgelehnt. Angesichts der schwierigen Haushaltslage sei eine durchgehende Anstellung nicht finanzierbar.