Kinder müssen auch auf dem Schulweg lernen, auf den Verkehr zu achten. Foto: dpa

An der Herbert-Hoover-Schule in Stuttgart-Freiberg fordern Elternvertreter und Schulleitung für die Erstklässler in Mönchfeld eine Entlastung beim Schulweg. Weil der bis zu 2,4 Kilometer lang ist, verlangen sie einen Bus-Service. Im Interview erläutert Schulamts-Vize Matthias Kaiser, weshalb er einen Fußmarsch für Kinder für nützlicher hält.

Stuttgart - An der Herbert-Hoover-Schule in Stuttgart-Freiberg fordern Elternvertreter und Schulleitung für die Erstklässler in Mönchfeld eine Entlastung beim Schulweg. Weil der bis zu 2,4 Kilometer lang ist, verlangen sie einen Bus-Service. Im Interview erläutert Schulamts-Vize Matthias Kaiser, weshalb er einen Fußmarsch für Kinder für nützlicher hält – und wo er die Grenzen sieht.

Herr Kaiser, das Staatliche Schulamt wirbt auch dieses Frühjahr wieder für die Aktion „Sicher zu Fuß zur Schule“. Warum?
Wir tun das aus mehreren Gründen. Erstens, weil wir möchten, dass Kinder lernen, wie sie sicher und unbeschadet zur Schule kommen. Zweitens stärkt es die Kinder in ihrer Eigenverantwortlichkeit, wenn sie den Weg zur Schule selber laufen. Und drittens kommen gesundheitliche Aspekte dazu: Kinder, die ihren Schulweg zu Fuß gemacht haben, sind im Unterricht gleich fitter, ihr Kreislauf ist angeregter als der von Kindern, die direkt von der warmen Wohnung übers warme Auto ins warme Klassenzimmer kommen.
Bezieht sich die Empfehlung des Schulamts uneingeschränkt auch auf Erstklässler?
Uneingeschränkt kann man nicht sagen. Manche Kinder sind schon von der Kita her gewöhnt, in Gruppen zusammen zur Tagesstätte zu gehen. Andere Kinder sind da noch unsicher. In solchen Fällen können Eltern ihr Kind ja zunächst noch begleiten – das wäre auf jeden Fall schon mal viel besser, als es mit dem Auto zu bringen. Wir haben auch angeregt, dass Eltern sich untereinander abstimmen zu einem sogenannten Laufbus. Da treffen sich die Kinder, holen einander ab, und ein Elternteil begleitet die Gruppe zur Schule. Sobald man sieht, dass die Kinder den Weg auch allein gehen können, sollte man sie auch allein gehen lassen.

„Eltern müssen abschätzen, ob sie ihrem Kind den Schulweg zutrauen“

Das wäre der optimale Fall. Sie hatten aber auch Einschränkungen erwähnt. Welche?
Die Einschränkungen sehe ich in der Persönlichkeit des Kindes. Die Schule ist für das Kind ein neuer Ort, auch den Schulweg ist es in der Regel noch nicht gewohnt. Je nach Schulweg müssen die Eltern abschätzen, ob sie das dem Kind zutrauen oder noch nicht – oder ob es einfach über die Straße rennt. Da sind die Eltern in ihrer Verantwortung gefordert. Die Schule unterstützt durch Verkehrserziehung.
Was sagen Sie Eltern, die finden, dass 2,4 Kilometer Schulweg für einen Erstklässler zu weit ist?
2,4 Kilometer – das ist für ein Kind in der ersten Klasse schon mal ne Strecke. Machbar ist er sicher – im ländlichen Bereich haben die Kinder solche Schulwege.
In Stuttgart könnten die Kinder auch Bus oder Stadtbahn benutzen.
Den Eltern würde ich sagen, wenn sie das ihrem Kind nicht zutrauen, rein körperlich, aber auch in der dunklen Jahreszeit, dann könnten sie ihr Kind ein Stück weit zur Schule bringen – oder bis zum Treffpunkt mit anderen Kindern. Aber es muss ein Ziel der Eltern sein, mit dem Kind den Schulweg zu trainieren, damit es ihn auch allein schafft.

„Wenn das Nachbarschaftliche nicht klappt, müssen Eltern selbst eine Lösung finden“

Manchen Eltern ist dies offenbar nicht möglich, wie die Freiberger Schulleiterin Miriam Brune berichtet. Welche Lösung schlagen Sie vor?
Da ist es sicher hilfreich, wenn die Schule mit den Eltern spricht. Man könnte auch anregen, dass die Eltern Kontakt mit anderen Eltern aufnehmen, die näher an der Schule wohnen. Wir haben schon immer Schüler, deren Eltern sehr früh arbeiten. Vielleicht wäre es ja möglich, dass diese ihr Kind schon früh bei einer anderen Familie vorbeibringen und man von dort aus den Schulweg macht. Wenn Eltern aber partout sich beim Schulweg ihres Kindes nicht einbringen, dann müssen sie privat schauen, wie sie das organisieren. Wenn das Nachbarschaftliche nicht klappen sollte, muss Schule den Eltern klarmachen, dass sie hier eine Verantwortung haben und eine Lösung finden müssen.
Immer wieder argumentieren Eltern, der Schulweg sei zu gefährlich. Was sagen Sie denen?
Es gibt die Schulwegpläne der Stadt Stuttgart, die solche Wege empfehlen, wo Risiken vermieden werden. Das heißt, man geht nicht an der Hauptstraße entlang, quert an dafür vorgesehenen Überwegen, und zudem gibt es Schülerlotsen.

„Man kann die Schulumgebung gemeinsam erkunden“

Was können Eltern tun, um das Risiko zu minimieren, das manchmal vielleicht auch nur ein gefühltes Risiko ist?
Wir nehmen auch ein gefühltes Risiko ernst. Man muss das Thema schon sensibel angehen und die Eltern ernstnehmen. Es geht darum, sie in der Erziehungspartnerschaft zu stärken. Was Eltern, aber auch Schule machen kann: zum Beispiel die Schulumgebung gemeinsam erkunden, Lesespaziergänge ums Schulgelände, Straßenschilder lesen oder man kann gemeinsam Schulwege abgehen, das geht auch klassenweise. So können Kinder lernen, sich in ihrer Umgebung auszukennen.