Die beschossene Shisha-Bar liegt in einem Hedelfinger Einkaufszentrum. Foto: Andreas Rosar

Die Polizei steht nach den Schüssen auf die Shisha-Bar in Hedelfingen am Wochenende noch vor vielen Rätseln. Warum hat man zum Beispiel erst mehr als zwölf Stunden später Alarm geschlagen?

Stuttgart - In der Shisha-Bar an den Otto-Hirsch-Brücken ist auch am Montag nicht an eine Rückkehr zum Alltag zu denken: Die Betreiber können noch gar nicht aufräumen und die Schäden reparieren, denn die Kriminaltechniker haben den Laden nach wie vor in Beschlag genommen. Sie sichern Spuren am Tatort

Was bringen die Spuren?

Anhand der Einschlaglöcher in der Scheibe können Waffenexperten nur ungefähr schätzen, welches Kaliber verwendet wurde, sagte ein Sachverständiger des Landeskriminalamts. Daher wurde nach dem Projektil gesucht. Jede Kugel weist Spuren des Laufes auf, durch den sie geschossen wurde. Dadurch können die Experten zumindest Rückschlüsse auf das verwendete Modell ziehen. „Aber beim Durchschlagen der Scheibe oder anderer harter Materialien kann es zu Spurenüberlagerungen kommen“, fügt der Experte hinzu. Sprich die Spuren vom Eindringen in das Material verwischen die ursprünglichen. Einen Abgleich kann das Bundeskriminalamt vornehmen.

Wie viele Schüsse waren es?

Dazu sagt die Polizei nichts, da die Auswertung der Spuren noch laufe.

Woher kamen die Schüsse?

Laut den Aussagen mehrerer Zeugen standen die Schützen mutmaßlich an einer Bushaltestelle vor dem Einkaufszentrum, in dem auch ein Supermarkt ist. Zwei Männer, die dunkle Kapuzenjacken anhatten und von denen einer etwas in einer nicht näher bezeichneten ausländischen Sprache gerufen haben soll, seien dann mit einem dunklen Wagen weggefahren. Das ganze geschah kurz nach Mitternacht in der Nacht zum Samstag. Die Polizei wurde erst am Nachmittag eingeschaltet.

Wie kam es zum verzögerten Alarm?

Das ist das wohl größte Rätsel für die Ermittler: Warum haben weder Betreiber noch Gäste Alarm geschlagen, als die Schüsse fielen? Das Motiv für dieses Schweigen über knapp 13 Stunden bis zum Anruf bei der Polizei liegt im Dunkeln. Auffällig sei die Bar aus polizeilicher Sicht bislang noch nie gewesen.

Was weiß man über den Hintergrund der Tat?

Wenig bis gar nichts. Die Polizei schließt bislang noch nichts aus, dafür spricht auch dei Zusammensetzunge der Ermittlungsgruppe: Diese gehören ebenso Beamte des Staatsschutzes an, die für extremistische Taten zuständig sind, wie auch Vertreter des Morddezernats. Letzteres ist klar, da geschossen wurde. Die Staatsschützer sind dabei, um auch den Hintergrund einer extremistischen Tat genau untersuchen zu lassen. Am Sonntag gab es zwar eine Art Entwarnung, nachdem die Nachricht von Schüssen auf eine Shisha-Bar am Samstag für Schrecken in der Stadt gesorgt hatte: Nur wenige Tage, nachdem in Hanau ein Mann neun Personen in einer Shisha-Bar und einem Café erschossen hatte, fallen in Stuttgart-Hedelfingen Schüsse auf eine Shisha-Bar. Am Sonntag hieß es dann, es würden dafür keine Anzeichen vorliegen „Aber ermittelt wird trotzdem in alle Richtungen“, sagt der Polizeisprecher Jens Lauer.

Stecken Banden dahinter?

Auch das sei im Moment noch „reine Spekulation“, sagt der Polizeisprecher. Natürlich stehe die Stuttgarter Polizei im Kontakt mit dem Reutlinger Präsidium, das sich aktuell mit gewalttätigen Auseinandersetzungen rivalisierender Gruppen befassen muss: Erst war am 8. Februar bei einer Messerstecherei ein junger Mann in Nürtingen schwer verletzt worden. Dann kam es am 13. Februar in Plochingen zu einer ähnlichen Auseinandersetzung, einer Schlägerei, in deren Verlauf zwei Männer mit Messern schwer verletzt wurden. Das Präsidium Reutlingen hat eine Ermittlungsgruppe eingerichtet, die von zunächst 16 auf nun 20 Beamte aufgestockt wurde. Es besteht der Verdacht, dass der Plochinger Angriff ein Vergeltungsschlag für jenen in Nürtingen gewesen sein könnte. Dass die Opfer schweigen, kann man als Indiz dafür werten, dass es sich um aufkeimende Bandenstrukturen handelt. Das Schweigen der Angegriffenen erinnert an einen Zwischenfall in der Nacht zum ersten Mai im vergangenen Jahr: Damals wurde ein junger Mann in Stuttgarts Innenstadt am Josef-Hirn-Platz angeschossen. Er ging in ein Krankenhaus und ließ sich behandeln, die Polizei alarmierte er nicht. Auch als die Ermittler in der Klinik auftauchten, wurde er nicht gesprächig, ebenso wie ein zweiter Verletzter bei dieser Auseinandersetzung. Für die Polizei ein Indiz, dass im Hintergrund bandenähnliche Strukturen herrschen: Bei Straßengangs gilt es als Ehrensache, nicht mit der Polizei zu reden.