An den Schulen wird es künftig wohl deutlich enger. Foto: dpa/Marijan Murata

Wie viel Schülerzuwachs verkraftet Stuttgart? Die geschäftsführenden Schulleiter der weiterführenden Schulen gehen davon aus, dass manche Familien künftig bei Engpässen auch auf eine andere Schulart oder ein anderes Profil als das gewünschte ausweichen müssen.

Stuttgart - Der von der Stadt Stuttgart erwartete deutliche Zuwachs an Kindern beschäftigt Verwaltung und Schulen. Während das Schulverwaltungsamt daran tüftelt, welche Schulen erweitert und wo neue Schulen gebaut werden sollen, erhoffen die geschäftsführenden Leiter der weiterführenden Schulen von der Stadt „schnelle, mutige Entscheidungen für ein zukunftsfähiges Gesamtkonzept“. Das erklärten Holger zur Hausen (Zeppelin-Gymnasium) und Barbara Koterbicki (Schloss-Realschule) auf Anfrage unserer Zeitung.

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Barbara Koterbicki, die für die Real- und Gemeinschaftsschulen zuständig ist, sieht „nicht mehr viel Puffer“. „Etliche Realschulen haben Klassen mit 30 Schülern“, sagt sie. Mehr geht nicht. Holger zur Hausen, der für die Stuttgarter Gymnasien zuständig ist, räumt ein: „Wir sind punktuell überfordert – die Gymnasien mit allgemeinem Profil sind enorm voll.“ Schon bisher mussten einige Schulen aus Platzmangel Schüler auf andere Schulen umlenken. Das sei „für alle Beteiligten eine große Belastung“. Bei einem weiteren Anwachsen der Bewerberzahl werde die Schülerlenkung dazu führen müssen, dass alle Schulen voll werden – „und dass auch Profile belegt werden, die die Familien gar nicht wollen“. Eine solche Entwicklung – die Rede ist von zehn Prozent mehr Kindern und Jugendlichen bis 2030 – könnte auch zu einer Einschränkung bei der bisher freien Wahl der Schulart führen. Etwa bei der Frage, ob ein Kind auf eine Real- oder eine Gemeinschaftsschule gehen möchte. Zwar bieten beide Schularten die Möglichkeit, einen Hauptschulabschluss oder einen mittleren Bildungsabschluss zu machen, verfolgen aber ein unterschiedliches pädagogisches Konzept.

Schulleiter lehnen Außenstellen als Dauerlösung ab

Die Einrichtung von Außenstellen, wie sie Bildungsbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) mittelfristig etwa für das Wirtemberg-Gymnasium am Steinenberg erwäge, sind für Koterbicki „dauerhaft keine Lösung“. Denn sie bedeuteten zusätzliche Wege und Wegezeiten für die Lehrer und seien auch im Blick auf Aufsicht und Vertretungen problematisch. Zur Hausen könnte sich durchaus „einen zusätzlichen Gymnasialstandort“ vorstellen. Einen solchen hatte vor einigen Jahren bereits Fezers Vorgängerin Susanne Eisenmann als damalige Schulbürgermeisterin ins Gespräch gebracht. Doch dazu kam es dann nicht.

Aktuell ist laut Fezer kein weiteres Gymnasium geplant. Im Schulverwaltungsamt setzt man vor allem auf Erweiterungs- sowie Neubauten vorhandener Schulen (Geschwister-Scholl-Gymnasium Sillenbuch, Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium Bad Cannstatt) sowie auf veränderte Nutzungen. Vom Auslaufen vieler Werkrealschulen profitieren vor allem die Grundschulen – so etwa die Schillerschule, Falkertschule, Lerchenrainschule, Steinbachschule und Filderschule. Erweitert werden zudem die Wilhelmsschule Wangen und die Grundschule Stammheim. Komplett neue Grundschulen sind im Neckarpark sowie auf dem Eiermann-Areal in Stuttgart-Vaihingen geplant – beide in Stadtbezirken, in denen durch die Aufsiedelung bis 2030 jeweils rund tausend Kinder und Jugendliche mehr erwartet werden.

Schulverwaltungsamt sieht bisherige Planung als ausreichend an

Von einem Gesamtkonzept, wie es sich die Schulleiter vorstellen, ist bisher bei der Stadtverwaltung nicht die Rede. „Wünschenswert wäre eine sinnvolle Verteilung der Schularten innerhalb der Stadt“, meint Koterbicki. Denn derzeit gebe es keine Realschule im Stuttgarter Süden und kein Gymnasium in Botnang. Zur Hausen ergänzt: „Eltern wollen für ihre Kinder eine gute, zuverlässige, standortnahe Schulversorgung.“ Daran arbeitet auch das Schulverwaltungsamt. „Das Vorgehen aus kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen verschiedener Art hat sich seit vielen Jahren bewährt und stellt die ausreichende Bereitstellung von Schulinfrastruktur sicher“, erklärt hierzu Andreas Hein, der Leiter des Schulverwaltungsamts. Als Planungsgrundlage greife man dabei auf die Prognosen des Statistischen Amts der Stadt zurück, berücksichtige aber zudem weitere Faktoren wie beispielsweise Wanderungsbewegungen, Umschulungen und Privatschulanteile.

Wie schwierig eine realistische Einschätzung der Schülerströme ist, zeigt auch die aktuelle Situation der Schulwechsler. Während im Sommer erneut rund 300 Schüler das Gymnasium verlassen mussten, weil sie deren Leistungsanforderungen nicht erfüllten, bereiten sich Gymnasien, Real- und Gemeinschaftsschulen bereits auf die neuen „Notfälle“ vor: Vor allem Gymnasiasten, denen zum zweiten Mal eine Nichtversetzung droht, wolle man einen Schulwechsel zum Schulhalbjahr ermöglichen und sie zeitnah versorgen.

„Wir sind stolz auf unsere Kooperation und darauf, dass wir die Schüler gemeinsam im Blick haben“, sagt zur Hausen, „und wir sind den Real- und Gemeinschaftsschulen auch sehr dankbar“. Für viele Eltern sei die Stuttgarter Schullandschaft „ein Dschungel, der schwer zu durchschauen ist“.