Ein Schüler entwickelt einen neuen Antrieb für Fahrräder Foto: SFZ

Vor 15 Jahren wurde in Bad Saulgau das erste Schülerforschungszentrum in Deutschland eröffnet. Noch immer stoßen Naturwissenschaften und Technik trotz der ausgezeichneten Berufschancen bei vielen Schülern auf wenig Begeisterung.

Bad Saulgau - Welche Nudel hält am besten die Soße? Diese Frage beschäftigt nicht nur Feinschmecker und Spitzenköche. Sie ist auch ein Thema für junge Forscher, die herausfinden wollen, was unterschiedliche Stoffe chemisch oder physikalisch zusammenhält, und die vielleicht sogar den optimalen Nudelteig entwickeln wollen, sagt Tobias Beck. Der 37-Jährige leitet seit September das Schülerforschungszentrum (SFZ) Südwürttemberg (SFZ)in Bad Saulgau und hat sich einiges vorgenommen: Vor allem will er mehr Mädchen und Jungen für die Naturwissenschaften begeistern.

Trotz aller Werbung für Naturwissenschaften und Technik und trotz der ausgezeichneten Berufschancen für entsprechende Fachkräfte stoßen die sogenannten Mint-Fächer – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – bei vielen Schülern auf wenig Begeisterung. Nicht einmal jeder tausendste Schüler in Deutschland beteiligt sich bei Talentwettbewerben wie Jugend forscht. Während in Südkorea für die Endauswahl zu internationalen Wettbewerben 600 Schüler bereitstünden, seien es in Deutschland gerade einmal 20, sagt Beck. Auch Studienplätze in diesen Bereichen bleiben unbesetzt; von denen, die sich für ein solches Studium entscheiden, brechen viele wieder ab.

In den Schulen müsse das Forschen und Entdecken eine größere Rolle spielen, fordert Beck. Es dürfe nicht vom Zufall abhängen, ob Kinder Lust darauf bekommen, den Dingen auf den Grund zu gehen. Nötig sei eine breite Förderung von früh an – wie im Sport. „Ein -Fußball-Weltmeisterteam ist auch nur dort möglich, wo viele Kinder von klein an kicken.“

Wie Breitenförderung im sogenannten Mint-Bereich aussehen könnte, macht das Schülerforschungszentrum in der oberschwäbischen Kleinstadt seit langem vor. Vor 15 Jahren gründete Rudolf Lehn dort die erste Einrichtung dieser Art in Deutschland, im Januar 2000 wurde sie eröffnet – wenige Monate zuvor hatte ein deutsches Team mit Schülern aus Oberschwaben zum zweiten Mal den ersten Preis bei den Physikweltmeisterschaften, dem International Young Physicists’ Tournament, geholt.

Die Vorbereitungen für das Zentrum hatten allerdings weit früher begonnen. Bereits 1978 gründete Lehn, Physiklehrer am Störck-Gymnasium in Bad Saulgau, eine Arbeitsgruppe für experimentierfreudige Jugendliche. Die wuchs kontinuierlich. Bald kamen auch aus anderen Schulen und Regionen freitagnachmittags und samstags Schüler und immer öfter auch Schülerinnen, um zu forschen und sich auf nationale Wettbewerbe wie Jugend forscht oder internationale wie Olympiaden und Weltmeisterschaften vorzubereiten. Im Lauf der Zeit entstand die Idee, ein Forschungszentrum zu gründen. Vor zehn Jahren schließlich erhielten die jungen Forscher ihr eigenes Haus – Übernachtungsmöglichkeiten inklusive.

Mittlerweile unterstützt das Land das Schülerforschungszentrum mit 5,5 Lehrerstellen. Das Gebäude hat die Stadt zur Verfügung gestellt, zwischen 250 000 und 300 000 Euro tragen Unternehmen, Stiftungen und private Sponsoren bei – dazu kommt die Mitarbeit zahlreicher Ehrenamtlicher aus Schulen, Hochschulen und Firmen. Darunter sind auch viele Ehemalige, die in Bad Saulgau ihre ersten Versuche in Chemie, Physik oder Technik gemacht haben.

Heute müssen Experimentierfans nicht mehr so weit fahren. Inzwischen gibt es weitere Standorte des Schülerforschungszentrums in Tuttlingen, Ulm, Ochsenhausen, Friedrichshafen/Überlingen, Wangen und Tübingen, ein weiterer ist in Reutlingen geplant. Die Erfolge sind sichtbar. Unter den Preisträgern bei nationalen und internationalen Wettbewerben sind viele, die an einem der Zentren ihre ersten Erfahrungen gesammelt haben. Manche haben ihre Erfindungen patentieren lassen. In Tübingen arbeiten drei 15-Jährige gerade an einem erfolgversprechenden Dynamo-Projekt. Durch Akku und Elektronik wollen sie einfache Fahrräder so aufrüsten, dass der Nabendynamo als Antrieb funktioniert. Das wäre deutlich billiger als Pedelecs und Elektroräder. Die meisten Teilnehmer des Schülerforschungszentrums entscheiden sich nach dem Abitur für ein technisches Studium.

Das ist ganz im Sinne des Kultusministeriums und der Industrie, die sich seit längerem mit der Suche nach Nachwuchs schwertut. Schon in den Bildungsplänen 2004 erhielten die Naturwissenschaften einen größeren Stellenwert. In den neuen soll das Experimentieren in allen Altersgruppen noch mehr Bedeutung erhalten, sagt Thomas Schenk, Referent für Schule und Wirtschaft.

Für Beck schließt sich mit seiner neuen Aufgabe als Leiter des SFZ ein Kreis. In den 90er Jahren besuchte er in Ulm einen von Lehns Kursen. Später studierte er Physik, machte eine Ausbildung zum Journalisten und wurde schließlich Lehrer in Ochsenhausen. Dort unterrichtet er weiterhin sechs Stunden wöchentlich. Das ist ihm wichtig, um den Kontakt zur Schulwelt nicht zu verlieren. Denn das SFZ sei eine andere Welt – für Lehrer wie für junge Forscher und Forscherinnen.