Ein Autofahrer steht neben seinem am Straßenrand im Schnee stecken gebliebenen VW-Käfer, aufgenommen bei Cuxhaven am 31. Dezember 1978. Der Temperatursturz vom 29. Dezember 1978 führte in Norddeutschland, dem Norden der DDR, Dänemark und Südschweden zu einem Schneechaos. Foto: dpa

Kältetote und von der Umwelt abgeschnittene Dörfer - eine schlimme Schneekatastrophe sucht vor 40 Jahren Deutschland heim. Doch neben tragischen Erlebnissen sind auch positive Erinnerungen geblieben.

Kiel - Die Katastrophe kam nach Weihnachten: Vor 40 Jahren, am 28. Dezember 1978, änderte sich das milde Wetter schlagartig. Eisige, trockene Luft aus Skandinavien und feuchte Warmluft aus dem Rheinland trafen über der Ostsee aufeinander - „eine sehr ungewöhnliche, seltene Wetterlage“, sagt der Meteorologe und Klimaforscher Tobias Bayer vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Die Folgen für Deutschland waren dramatisch.

„Für große Teile Europas leitete die Wetterlage zum Jahreswechsel 1978/79 einen langen, kalten und schneereichen Winter ein“, erinnert der Deutsche Wetterdienst (DWD). Vergleichbar harte Winter gab es demnach nur 1928/29, 1962/63, 1984/85 und 1986/87. Mit 67 Tagen geschlossener Schneedecke, vom 28. Dezember 1978 bis 4. März 1979, sei dieser Winter vor 40 Jahren nur mit dem Nachkriegs-Hungerwinter 1946/47 vergleichbar gewesen.

Heftige Kälte und viel Schnee

Die Kälte und insbesondere der viele Schnee waren vor allem in Nord- und Ostdeutschland heftig, wie der DWD berichtet. Der Straßen- und Eisenbahnverkehr kam zum Erliegen. Rund 150 Ortschaften waren von der Außenwelt abgeschnitten. „In der Bundesrepublik starben in der Kälte 17 Menschen. Zahllose Rinder, Schweine und Hühner verendeten. Die Schäden überstiegen 140 Millionen D-Mark. In der damaligen DDR starben mindestens fünf Menschen.“

Mit am stärksten getroffen war Deutschlands nördlichstes Bundesland: In Schleswig-Holstein waren damals rund 80 Ortschaften ohne Strom. Hubschrauber der Bundeswehr warfen Futtersäcke über Bauernhöfen ab, brachten Windeln für Babys, Medikamente, Lebensmittel. Hochschwangere und Dialyse-Patienten wurden in Krankenhäuser geflogen. „Wir konnten aus der Luft Straßen oder Grundstücke gar nicht genau erkennen, weil alles schneeverdeckt war“, erinnert sich Dieter Roeder. Der 70-Jährige steuerte damals einen Transporthelikopter.

„Die Schneekatastrophe hat sich in das kollektive Gedächtnis der Schleswig-Holsteiner eingebrannt“, sagt Miriam J. Hoffmann. Die Leiterin des Kreismuseums Itzehoe ist selber ein „Schnee-Baby“. Ihre Eltern kämpften sich damals mit ihrem VW-Käfer und viel Glück über zugeschneite Straßen von Neumünster nach Kiel durch, wo ihre Mutter entband.

Persönliche Erinnerungen an die Schneekatastrophe

Jetzt zeigt Hoffmann im Kreismuseum eine Ausstellung über die Schneekatastrophe (bis 24.2.). „Jeder hat seine eigene, ganz persönliche Erinnerung an die Schneekatastrophe“, sagt Hoffmann. Und diese Erinnerungen sei oft auch geprägt von positiven Erfahrungen. „Der soziale Zusammenhalt war sehr groß, die Menschen haben sich gegenseitig geholfen - das wissen wir von vielen Zeitzeugen.“

Als „ein einziges großes Abenteuer“ empfand der damals zwölfjährige Dirk Billerbeck in Glücksburg bei Flensburg diese Zeit. „Wir Kinder hatten schulfrei, wir haben im Schnee gebuddelt, gespielt und Höhlen gebaut“, sagt Billerbeck. „Über eine hohe Schneewehe bin ich aufs Dach eines Hauses gegangen und an anderer Stelle in den Schnee gesprungen.“ Zu Hause habe man eine Tiefkühltruhe mit genug Vorräten gehabt, der Strom sei nur einmal kurz nachts ausgefallen.

„Meinen Kindern würde ich auch solche Erfahrungen wünschen“, sagt Billerbeck. Allerdings sieht er gleich Probleme im Vergleich zu damals: „Wir haben keine Tiefkühltruhe und keine eigene Heizung im Haus, sondern Fernwärme - wenn da der Strom ausfällt...“

Museumsleiterin Hoffmann hatte in ihrer Ausstellung eine siebte Schulklasse aus Heide. Die Schüler, erzählt sie, meinten spontan: „So etwas wollen wir auch mal erleben!“