Geraint Thomas im Gelben Trikot – der Tour-Sieger schlüpft auch in Deutschland in die Favoritenrolle.Foto:AFP Foto:  

Am Donnerstag beginnt die Neuauflage des Radrennens – am Sonntag endet es in Stuttgart. Nach dem Untergang des Radsports in Deutschland 2008 haben die neuen Macher mittelfristig mit der Veranstaltung noch Großes vor.

Stuttgart - Die Stimmung im deutschen Profiradsport am Ende des Jahres 2008 war gedrückter als bei einer Beerdigung in New Orleans, deutlich gedrückter. Die einstigen Helden des Team Telekom/T-Mobile um Jan Ullrich, Erik Zabel, Udo Bölts und Rolf Aldag waren im Dopingsumpf untergegangen.

Der Nürtinger Radprofi Stefan Schumacher, im Sommer zuvor noch Etappensieger bei der Tour de France und ein paar Tage Träger des Gelben Trikots, wurde im Oktober mit dem Epo-Präparat Cera erwischt, sein Team Gerolsteiner gab mangels neuer Sponsoren den Rückzug aus dem Profisport bekannt und schickte das gesamte Material der Mannschaft von der Gesäßcreme bis zum Reisebus zur Versteigerung in Herrenberg-Gültstein auf die Resterampe. Gleichzeitig verkündete auch noch die ARD, wegen der vielen Dopingfälle 2009 nicht mehr von der Tour de France oder anderen Radrennen live berichten zu wollen.

Großes Finale steigt am 26. August in Stuttgart

In dem Sog läutete dann auch das Totenglöcklein der 1999 wieder ins Leben gerufenen Deutschland-Tour. Kein TV, keine Sponsoren, kein Rennen – und das nach sehr erfolgreichen Jahren mit Höhepunkten wie einer Zielankunft 2005 auf dem 2684 Meter hoch gelegenen Parkplatz des Rettenbachferner oberhalb von Sölden in Tirol. Ein Spektakel ganz ähnlich wie Alpe d’Huez, nur noch härter. Nach den ganzen Tiefschlägen konnte sich kein Mensch vorstellen, dass sich der Profiradsport in Deutschland je wieder erholen würde. Und die Deutschland-Tour auch nicht.

Aber sie ist wieder da. Am Donnerstag startet in Koblenz nach zehn Jahren Pause wieder einmal eine Deutschland-Tour für Radprofis. Eine zunächst einmal nur sehr bescheidene Veranstaltung. Vier Ertappen über Bonn, Trier, Merzig, Lorsch – und dem Finale am 26. August in Stuttgart. In den Zeiten zwischen 1999 und 2008 waren es bis zu neun Etappen gewesen, aber dafür hat die 33. Auflage einer Deutschland- Rundfahrt seit 1911 jetzt einen Partner, der über eine große Reputation und wohl auch einen langen Atem verfügt.

Neue Szene erfolgreicher Profis in Deutschland

Zumindest hat man sich schon mal für zehn Jahre festgelegt, mit einer Option auf weitere zehn Jahre. Hinter der neuen Deutschland-Tour steht die französische A.S.O, die Amaury Sport Organisation, die die Tour de France aber auch Rennen wie zum Beispiel Paris-Roubaix veranstaltet und vermarktet. Die Franzosen haben sich jetzt mit dem deutschen Partner „Gesellschaft zur Förderung des Radsports“ zum Ziel gesetzt, der Rennszene im Land wieder Leben einzuhauchen. Aber das sicher nicht aus reiner Freude am Radsport, sondern weil man sich Marktchancen ausrechnet.

Schließlich hat sich seit 2008 eine neue Szene erfolgreicher Profis in Deutschland etabliert, eine Szene, die bisher durch Erfolge statt Eskapaden aufgefallen ist. Namen wie Marcel Kittel, André Greipel oder Tony Martin stehen für große Siege, auch bei der Tour de France. Die Routiniers werden bis auf den verletzten Martin alle an den Start gehen. Dazu kommt ein heimisches Weltklasseteam. Aber bei Bora hansgrohe wird dann auch klar, dass die Deutschland- Tour noch eine kleine Veranstaltung ist. Emanuel Buchmann, Deutschlands derzeit wohl bester Klassementfahrer, wird für die Bayern als Kapitän bei der am Samstag beginnenden Spanien-Rundfahrt an den Start gehen. Die Favoritenrolle hier übernimmt dafür der Waliser Geraint Thomas vom Team Sky, der nach seinem Tour-Sieg nicht schon wieder eine große Rundfahrt fahren kann.

Über die Zukunft entscheiden vor allem die Rad-Fans

Es ist also noch ein sehr zartes Pflänzchen, das da von Donnerstag an über vier Etappen und 738 Kilometer durch vier Bundesländer zu wachsen beginnen soll. 22 Mannschaften mit jeweils sechs Profis, insgesamt 132 Fahrer werden das Rennen aufnehmen. Darunter gibt es natürlich etliche etablierte Berufsfahrer, die sich zeigen wollen. Allen voran die Sprinter Marcel Kittel und André Greipel, die beim Höhepunkt Tour de France leer ausgingen. Aber auch der junge Max Walscheid will zeigen, dass er ein großer Sprinter werden kann. Und dann noch Maximilian Schachmann. Der 24-jährige Berliner hat im Frühjahr eine Etappe beim Giro d’Italia gewonnen und gilt als große Hoffnung.

Über die Zukunft der neuen Deutschland-Tour entscheiden aber vor allem die Radfans. Die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF übertragen die letzten beiden Rennstunden live und hoffen auf bis zu eine Million Zuschauer bei den jeweiligen Etappen. Auch Eurosport berichtet. Die Einschaltquoten sind ambitioniert, aber sollten sie erreicht werden, dürfte das Pflänzchen Deutschland-Tour kräftig wachsen – und 2008 wäre dann endgültig Geschichte.