Tony Martin ist kurz vor dem Ziel gestürzt. Foto: dpa

Bitteres Aus für den deutschen Radsportler Tony Martin bei der Tour de France. Kurz vor dem Ziel stürzte der bis dahin Gesamtführende schwer. Dabei zog er sich einen Schlüsselbeinbruch zu.

Le HavreKreidebleich und mit dick bandagierter linker Schulter stieg Tony Martin in den Krankenwagen. Mit Blaulicht wurde der Tour-Spitzenreiter abtransportiert. Die Triumphfahrt in Gelb endete für den dreimaligen Zeitfahr-Weltmeister auf dem harten Asphalt von Le Havre mit einem Schlüsselbeinbruch. Für Martin ist es das Ende seiner bislang so atemberaubenden Tour de France. „Schlüsselbein ist gebrochen. Wir überlegen weitere Schritte“, twitterte Martin noch kurz darauf aus dem Krankenhaus.

Zuvor hatte der 30-Jährige noch gehofft, dass sich der schlimme Verdacht nicht bestätigt. „Ich hoffe, dass es mehr Schmerzen sind als schwerwiegende Verletzungen und dass es noch weitergeht“, sagte Martin unmittelbar nach der sechsten Etappe. Für Teamchef Patrick Lefevere ist klar: „Er wird uns in den nächsten Tagen im Sprintzug von Cavendish und im Mannschaftszeitfahren fehlen.“
 

So verkam beim Etixx-Team der Sieg ihres Fahrers Zdenek Stybar (Tschechien) fast schon zur Nebensache. Dass John Degenkolb seinem Happy End erneut vergeblich hinterherjagte, passte an dem so bitteren Tag für die deutschen Radprofis ins Bild. Degenkolb landete nach 191,5 Kilometern von Abbeville nach Le Havre hinter Stybar, dem Slowaken Peter Sagan und Bryan Coquard aus Frankreich auf dem vierten Platz. Der Klassikerkönig, der schon vier zweite Plätze in seiner Tour-Karriere belegte, muss damit weiter auf einen Sieg bei der Frankreich-Rundfahrt warten.

Bandagiert ins Krankenhaus gebracht

Die Schlüsselszene des Rennens war aber der Martin-Sturz. Der Deutsche fuhr einen kleinen Schlenker, touchierte einen weiteren Fahrer, wodurch schließlich auch Vorjahressieger Vincenzo Nibali zu Fall kam. Der Italiener schien aber das Malheur gut überstanden zu haben. „Das ist unglaublich. Ich weiß gar nicht mehr, wie es passiert ist. Das ist schade“, sagte Martin, der bandagiert und ins Krankenhaus gebracht wurde.

Immerhin behielt André Greipel sein Grünes Trikot, auch wenn für das Kraftpaket beim schweren Finale in Le Havre ein dritter Tagessieg nicht möglich war. Der gebürtige Rostocker liegt nur noch drei Punkte vor Sagan.

Auf Degenkolb war die 850 Meter lange Passage mit durchschnittlich sieben Prozent Steigung eigentlich perfekt zugeschnitten. Doch die Attacke von Stybar blieb ohne Reaktion. „Wir haben zu spät reagiert. Meine Form ist eigentlich gut, die Tour geht noch lange“, sagte Degenkolb frustriert.

Damit wartet er immer noch auf die Krönung seines bislang so traumhaften Jahres 2015, nachdem er im Frühjahr bei den Monumenten Mailand-Sanremo und Paris-Roubaix triumphiert hatte. Bei der Tour läuft es für den 26-Jährigen überhaupt nicht nach Plan. Viermal war er bereits auf Platz zwei gefahren, dazu hatten zwei schwere Stürze im Vorjahr dem Frankfurter eine Tour der Leiden beschert.

Massensprint als wahrscheinlichstes Szenario

Auch sein Rennstall sehnt einen erlösenden Sieg herbei. In den Sprints spielte Giant-Alpecin ohne den daheim gebliebenen Marcel Kittel kaum eine Rolle, außerdem musste Zeitfahrer Tom Dumoulin nach seinem schweren Sturz auf der dritten Etappe (ausgekugelte Schulter und Bruch im Schultergelenk) bereits die Heimreise antreten.

Auf der Fahrt durch die Normandie setzte sich zunächst eine dreiköpfige Ausreißergruppe in Szene. Der Belgier Kenneth van Bilsen, der Franzose Perrig Quéméneur und Daniel Teklehaimanot aus Eritrea rissen sechs Kilometer nach dem Start aus und fuhren zwischenzeitlich einen Vorsprung von über zwölf Minuten heraus. Auch wenn das Unterfangen erfolglos blieb, zahlte sich die Flucht für Teklehaimanot aus. Dank der gewonnenen Bergwertungen unterwegs übernahm er als erster Afrikaner das Gepunktete Trikot bei der Tour. Seinen ersten Auftritt im neuen Gewand hat Teklehaimanot am Freitag auf der siebten Tour-Etappe, wenn es über 190,5 Kilometer von Livarot nach Fougères geht. Am Ende des Teilstücks könnten vorerst zum letzten Mal die Sprinter um Greipel zum Zug kommen. Ein Massensprint ist das wahrscheinlichste Szenario. Ob Martin dabei sein wird, ist aber fraglich.