Die Taufe der „Aida Perla“ wurde mit einen gewaltigen Feuerwerk gefeiert. Foto: Aida Cruises

Schiffe funktionieren nach dem neusten Stand der Technik. Trotzdem halten Seeleute aus Aberglauben an manch verstaubtem Brauch fest. So muss jedes Schiff getauft werden, so wie kürzlich die „Aida Perla“, das modernste deutsche Kreuzfahrtschiff.

Palma - Gesucht: weibliche Person, weder von Natur aus rothaarig noch in Grün gekleidet – weil dies den ebenfalls rot gelockten und grün gewandeten Klabautermann anlocken könnte. Das sind die Anforderungen an die Taufpatin eines Schiffes. Model und Moderatorin Lena Gercke (29) ist blond, hübsch, trägt am großen Abend ein blaues Kleid und hat dazu noch 1,6 Millionen Anhänger in diversen sozialen Netzwerken. „Lena Gercke ist die ideale Taufpatin für die ,Aida Perla‘“, sagt Felix Eichhorn, Chef der Reederei Aida Cruises.

Damit bei der medienwirksamen Taufe der Pötte nix schiefläuft, gehen die Reedereien auf Nummer sicher. Statt sich auf die Muskelkraft der Patin zu verlassen, die den Schaumwein mit Schmackes gegen die Bugwand schleudert, baut man inzwischen spezielle Vorrichtungen. Ein Knopfdruck genügt, dann schlägt das Gerät vollautomatisch und garantiert erfolgreich zu.

Garantiert? Vor Palma de Mallorca vor Anker liegend brauchte es zwei Versuche, bis die Champagnerflasche der Marke Moët & Chandon zerbrach. „Ich nehme das auf meine Kappe, ich habe wohl zu schwach gedrückt“, sagt Lena Gercke. Wahrscheinlich lag es jedoch eher daran, dass eine zwölf Liter fassende und 45 Kilo schwere Pulle eben aus widerstandsfähigem, dickwandigem Glas gemacht ist.

Kleiner Trost: Auch bei der Taufe der „Mein Schiff 6“ Anfang Juni in Hamburg brauchte die lettische Musikerin Iveta Apkalna zwei Versuche, um den Schaumwein zu zerdeppern. Im Dezember 2007 gelang es der britischen Herzogin Camilla in Southampton ebenfalls nicht im ersten Anlauf, die Flasche am Cunard-Liner „Queen Victoria“ zu zerbrechen. Und Heide Simonis, damalige Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, musste im Juni 1994 in Kiel gleich siebenmal werfen, bis das Glasgefäß an der nach ihrem Bundesland benannten Fregatte endlich zerplatzte.

Egal ob früher oder später – Hauptsache, die Flasche geht irgendwann kaputt. Das möglichst korrekt ausgeführte Ritual soll dem Täufling auf seinen Fahrten über die sieben Weltmeere allzeit Glück bringen, Stürme und Katastrophen abwenden und vor jeglichem Unbill schützen. Selbst im 21. Jahrhundert rückt man von dieser altertümlichen Tradition nicht ab, obwohl moderne Technik altes Seemannsgarn an sich überflüssig gemacht haben sollte.

„Es gibt Bräuche, die sind so emotional, dass sie sich einfach erhalten“, sagt Heinrich Walle. Der 76-jährige Fregattenkapitän außer Dienst und promovierte Historiker ist Sprecher des Wissenschaftlichen Beirats der deutschen Gesellschaft für Schifffahrts- und Marinegeschichte. Dass es in der Seefahrt so viel Aberglaube gibt, erklärt Heinrich Walle mit einer Verhaltensweise aus der Antike: „Wasser ist ein feindliches Medium. Deshalb hat die Menschheit das Gerät, mit dem man dieses Medium beherrscht, schon immer mystisch verklärt.“

Für Seefahrer bei den alten Griechen und Römer waren deren Schiffe fast göttliche Wesen, denen sie Augen malten, damit sie den Weg fanden, und die sie verzierten. Insofern stehen die Kreuzfahrtschiffe von Aida Cruises quasi in direkter Nachfolge zur Flotte von Odysseus. Nur dass die Augen um einen freundlich lächelnden Kussmund ergänzt worden sind. „Mit der Vergabe eines Namens wird das Schiff zum Individuum. Erstaunlich, denn es ist ja nur ein schwimmender Eimer. Daher auch der Kosebegriff Pott“, sagt Heinrich Walle. Meist wird ein wohlklingender Name gewählt. „Aida Perla“ klingt hochwertig – die Perle der Meere.

Schiffe als unberechenbare Wesen sind zudem immer weiblich, auch wenn sie an sich männliche Namen tragen wie „die Columbus“. Berühmte Ausnahme ist „der Imperator“. Wilhelm II. soll 1913 darauf bestanden haben, dass die Reederei Hapag für das Schiff den männlichen Artikel verwandte. Der letzte deutsche Kaiser fungierte ausnahmsweise auch selbst als Taufpate für den Ocean-Liner. An sich hätte er (s)einer Frau den Vortritt lassen müssen. Doch im Sinne der Emanzipation dürfen natürlich auch Männer ran. Nur eben nicht in grüner Kleidung.

Welche anderen berühmten Menschen Champagnerflaschen gegen Kreuzfahrtschiffe geworfen haben, sehen Sie in unserer Bildergalerie.