Michael Theurer ist davon überzeugt, dass eine dauerhaft blockierte Regierung volkswirtschaftliche Milliardenschäden anrichten kann. Foto: dpa

Das ist ja mal eine Hausnummer: 35 Milliarden Euro soll es jährlich kosten, wenn die Bundesregierung weiterhin nicht die Kurve kriegt. Das jedenfalls sagt FDP-Landeschef Michael Theurer. Wir er auf diese Zahl kommt, erklärt er in unserem Interview.

Berlin - Südwest-FDP-Chef Michael Theurer kritisiert, dass Putin und Trump ungestört die Welt untereinander aufteilen, während die wichtigste Führungskraft Europas sich von Horst Seehofer auf der Nase herumtanzen lässt.

Herr Theurer, Sie haben zwei Flaschen Schampus darauf gewettet, dass Günther Oettinger Kanzler wird. Bereuen Sie, das Geld in den Sand gesetzt zu haben?
Wieso in den Sand gesetzt? Ich habe doch gar kein Datum genannt. Und Günther Oettinger bleibt in der CDU ein starker Spieler. Wer weiß, was noch so passiert.
Vorerst haben Sie ja nun wohl weiter mit Kanzlerin Angela Merkel zu tun. Für Sie ein Grund zur Freude?
Die Halbwertszeit des Kompromisses von Frau Merkel und Herrn Seehofer im Flüchtlingsstreit betrug nicht mal 24 Stunden. So lange hat es gedauert, bis eindrucksvoll dokumentiert wurde, dass dieser Vorschlag nicht tragen kann. Die SPD protestiert und, was viel gravierender ist, wichtige europäische Länder, von Ungarn über Polen und Tschechien bis hin zu Österreich, tragen die notwendigen Voraussetzungen nicht mit.
Gehen Sie nach diesem Showdown jetzt von einer vollen Wahlperiode aus, oder bereiten Sie sich auf einen vorzeitigen Bruch der Koalition vor?
Wir müssen mit allem rechnen.
Die Glaubwürdigkeit von Politik hat unzweifelhaft Schaden genommen. Wie schätzen Sie die wirtschaftlichen Auswirkungen einer sich im Dauerstreit blockierenden Regierung ein?
Die Kanzlerin kann von Glück sagen, dass derzeit noch keine akuten ökonomischen Krisen zu bewältigen sind. Die Betonung liegt aber leider auf dem Wörtchen ,noch‘. Es gibt erste Anzeichen einer konjunkturellen Eintrübung. Wir laufen deshalb sehr wohl Gefahr, dass die politische Unberechenbarkeit, die diese Regierung täglich zur Schau stellt, unsere Wirtschaft und damit auch Arbeitsplätze gefährdet. Das zeigen auch erste Ausschläge an den Aktienmärkten. Wie nervös die Stimmung an der Börse in Deutschland derzeit ist, lässt sich auch daran ablesen, dass mittlerweile allein schon die Falschmeldung einer Satirezeitung, Seehofer wolle die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU aufkündigen, den Dax vibrieren lässt.
Kann man den Schaden für die Wirtschaft seriös beziffern?
Sollte diese Koalition dauerhaft handlungsunfähig bleiben, wonach es derzeit leider aussieht, dann schätzen wir den Schaden für die Wirtschaft auf mindestens 35 Milliarden Euro jährlich.
Wie kommen Sie darauf?
Ich habe bei dieser Schätzung nur zwei von vielen konkreten Problemen zugrunde gelegt, die derzeit das wirtschaftliche Wachstum verringern. Da ist zum einen der Fachkräftemangel, der gerade in Baden-Württemberg schon deutliche konjunkturelle Bremsspuren hinterlässt. Wenn diese Herausforderung politisch nicht endlich angegangen wird, dann rechnet das Institut der Deutschen Wirtschaft mit einer jährlichen Abschwächung des Wachstums um 0,9 Prozentpunkte. Allein das würde also einen Schaden von 30 Milliarden Euro pro Jahr verursachen. Deshalb bräuchten wir ja so dringend ein Zuwanderungsgesetz. Ein paar Ansätze für ein solches Regelwerk stehen zwar im Koalitionsvertrag. Mir fehlt aber die Fantasie, mir vorstellen zu können, dass für so ein Gesetz die auf Abschottung setzende CSU jemals die Hand reichen wird.
Also ist nicht nur US-Präsident Donald Trump wegen seiner Unberechenbarkeit eine Gefahr für die Wirtschaft, sondern auch diese Regierung?
Diese Regierung wird mittlerweile zum Konjunkturrisiko und es ist eine Tragödie, dass sich die Präsidenten Trump und Putin in Helsinki treffen und die Welt untereinander aufteilen, während in Berlin ein Herr Seehofer der Kanzlerin auf der Nase herumtanzt. Frau Merkel müsste sich stattdessen dringend als Führungspersönlichkeit in Europa mit dem französischen Präsidenten und der Europäischen Kommission in diese Debatte einmischen und in unserem ureigenen nationalen Interesse für weltweiten Freihandel streiten. Es darf doch nicht wahr sein, dass der Wohlstand, das Schicksal und die Zukunftschancen von 82 Millionen Menschen in Deutschland weniger wichtig sind als der Machtanspruch einer bayerischen Regionalpartei.