Colin Kaepernick (Nr. 7) kniete als Erster bei der Nationalhynme, andere wie Eric Reid (Nr. 35) zogen nach. Foto: AFP/Ezra Shaw

Die Football-Profiliga NFL bemüht sich um einen Wandel, etwa mit einer Öffnung für politische Botschaften – das ist auch ein Verdienst eines genau deshalb seit vier Jahren arbeitslosen Quarterbacks.

Stuttgart - Er ist wieder da: Colin Kaepernick gibt ein Comeback in der NFL – allerdings nur in Madden 21, dem jährlich neu veröffentlichten Videospiel zur nordamerikanischen Football-Profiliga. Das gab der Videospiel-Hersteller EA Sports zwei Tage vor dem Saisonstart mit dem Auftaktspiel des Meisters Kansas City Chiefs Houston Texans in der Nacht von Donnerstag auf Freitag deutscher Zeit (2.10 Uhr/Pro7) bekannt.

Auf dem realen Feld war und ist Kaepernick seit 2016 und seinem Aus nach sechs Jahren bei den San Francisco 49ers nicht mehr zu sehen – weil er in der von weißen, konservativen Teambesitzern regierten NFL in Ungnade gefallen ist. Der Sohn einer weißen Mutter und eines afroamerikanischen Vaters hatte in seiner finalen Saison bei den Kaliforniern Aufsehen erregt, weil er während der Nationalhymne auf die Knie ging, um ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA zu setzen: „Ich werde nicht aufstehen, um Stolz auf die Flagge eines Landes zu demonstrieren, das schwarze Menschen und andere farbige Menschen unterdrückt.“

Lesen Sie mehr: Wer hat denn eigentlich den letzten Super Bowl gewonnen?

Andere Spieler folgten seinem Beispiel, eine Kniefall-Bewegung entstand. Dies löste seinerzeit eine Kontroverse aus. Es gab Verständnis und Unterstützung von Leuten wie Ex-Präsident Barack Obama einerseits, andererseits prasselten schwere Kritik wegen unpatriotischen Verhaltens von Leuten wie dem bis heute amtierenden Präsidenten Donald Trump auf Kaepernick und seine Nachahmer ein.

Die Folge: Kaepernick fand nach dem Abschied aus San Francisco keinen neuen Club mehr. Nur sportliche Gründe kann das kaum haben – der Quarterback führte seine Mannschaft in seinem besten Jahr (2012) immerhin in den Superbowl, wenngleich er danach nicht mehr an seine damaligen Leistungen anknüpfen konnte.

Sein pionierhaftes politisches Vorpreschen hat den mittlerweile 32 Jahre alten Kaepernick ganz offensichtlich den Job gekostet, dafür aber in den USA zur Symbolfigur für den Kampf gegen Rassismus und Polizeigewalt gemacht. Diese geht längst weit über die NFL (und den Sport) hinaus und ist im Jahr 2020 mit der „Black Lives Matter“-Bewegung mächtiger ist denn je. Kürzlich erst boykottierten die Milwaukee Bucks aus der Basketball-Topliga NBA eine Partie, nachdem der Afroamerikaner Jacob Blake in ihrem Heimat-Bundesstaat Wisconsin von Polizisten in den Rücken geschossen worden war. Andere US-Teams folgten sportartenübergreifend diesem Beispiel, ehe der Spielbetrieb dann doch regulär weiterging.

Lesen Sie mehr: Wie Jakob Johnson über die Situation denkt

Mittlerweile entschuldigten sich sogar NFL-Boss Roger Goodell und selbst Präsident Donald bei Kaepernick. In der NFL gibt es trotz allem bis jetzt keinen Platz für ihn – doch er hat Veränderungen in der reichsten Sportliga der Welt angestoßen, wobei der Wille zum Wandel erst jetzt so langsam einsetzt – es wird damit auch der Tatsache Rechnung getragen, dass zwei Drittel der Spieler Afroamerikaner sind. Die NFL hat für die neue Saison eine große Kampagne namens „It Takes All of Us“ (Wir sind alle gefordert) angekündigt, die zum Auftakt in Kansas City vorgestellt wird. Damit soll laut Kommuniqué „die Kraft und Macht der NFL unser Land zu vereinen“ aktiviert werden. Auch angesichts der Corona-Krise (wegen der sämtliche Vorbereitungsspiele ausgefallen sind) und vor allem für mehr soziale Gerechtigkeit in den USA.

Am ersten Spieltag werden deshalb die Schriftzüge „It Takes All of Us“ and „End Racism“ (Schluss mit Rassismus) groß in allen Endzonen der NFL-Stadien zu sehen sein. Spieler, Trainer und sonstige Offizielle dürfen in dieser Spielzeit Opfer von Rassismus und Polizeigewalt mit Aufklebern auf ihren Helmen oder Aufnähern würdigen. Mehr als 1400 Spieler sowie 300 sonstige Protagonisten werden dies tun mit Slogans wie etwa „End Racism“, „Stop Hate“ (Stoppt den Hass) oder „Black Lives Matter“ (Schwarze Leben zählen). Zudem sind Aufwärmshirts mit der Aufschrift „Injustice Against One of Us, Is Injustice Against All of Us“ (Ungerechtigkeit gegen einen von uns, ist Ungerechtigkeit gegen uns alle) und „End Racism“ auf dem Rücken erlaubt.

Colin Kaepernick wird’s freuen – auch wenn er nur im Videospiel selbst ran darf.