Kamiran Mahmud im Restaurant Tempus Foto: Martin Haar

(K)eine Geschichte aus 1000 und einer Nacht: Nach seiner Flucht aus Syrien kämpfte sich Kamiran Mahmud durch – vom Tellerwäscher zum Koch des Restaurant Tempus am Haus der Geschichte.

Stuttgart - Nein, es ist kein Märchen aus 1000 und einer Nacht. Auch wenn die Geschichte von Kamiran Mahmud (41) einen guten Verlauf nahm. Sofern man bei Vertreibung und Flucht überhaupt von einem Happy End reden. Denn die traumatischen Erfahrungen aus seiner Zeit in Syrien werden wohl immer nachwirken.

Doch was für den gebürtigen Syrer zählt, ist das Hier und Jetzt. Hier im Tempus, dem Lokal zwischen dem Abgeordneten-Haus und dem Haus der Geschichte, fühlt sich Kamiran Mahmud nach einer Odyssee angekommen. Der Mann lebt seine Leidenschaft am Herd – Kamiran Mahmud ist Koch.

Sein Lebensentwurf sah jedoch ganz anders aus. „Nach dem Abitur wollte ich eigentlich in meiner Heimatstadt Kamischli Agrar-Maschinenbau zu Ende studieren“, sagt der Sohn einer kurdischen Politiker-Familie, „aber dann kam alles anders.“ Der Staat beanspruchte seine Dienste. Kamiran Mahmud musste zum Militärdienst einrücken. Eine Zeit voller Schikanen und Repressalien. Als Kurde und Neffe eines politischen Schriftstellers hatte er wenig zu lachen. Ob es da sinnvoll ist, als Soldat in der Armee des Diktators Baschar Hafiz al-Assad politische Flugblätter unters Volk zu bringen, ist eine andere Frage. Der Apparat antworte kompromisslos. „Man wollte mich einsperren“, sagt er über den Beginn seiner Flucht: „Danach war ich zur Fahndung ausgeschrieben.“

Die Liebe zog ihn nach Stuttgart

Über die Türkei kam Kamiran Mahmud 2004 nach Deutschland. Bereits ein Jahr später wurde er als Flüchtling anerkannt. Aber was tut man in einem fremden Land ohne Ausbildung? „Arbeiten“, sagt er, „egal was.“ Soll heißen: Der Kurde hat ganz unten angefangen. So wie es das Klischee will – als Tellerwäscher in einem griechischen Restaurant in Karlsruhe. Dort merkte der Inhaber schnell: „Der Bursche ist fleißig und stellt sich nicht dumm an.“ Kamiran Mahmud stieg zum Beikoch auf. Nach zwei Jahren hat er an manchen Tagen 80 Essen im Alleingang aus der Küche katapultiert. „Der Inhaber spielte mit dem Gedanken, mir nach seinem Ruhestand das Lokal zu überlassen“, sagt Kamiran Mahmud, „aber die Liebe zog mich nach Stuttgart.“

Dort lernte er seine heutige Frau Yissra Emin, die im Olgäle arbeitet, kennen und hat inzwischen mit ihr zwei Kinder. „Also zog ich nach Stuttgart und heuerte bei einer Zeitarbeitsfirma an.“ Die vermittelte ihm Jobs als Beikoch. Mal in einem Betriebsrestaurant der Sparkasse, zuletzt bei einem Italiener. „Ich möchte die Zeit nicht missen“, sagt er, „denn ich habe viel gelernt.“ Im Grunde war es eine Universalausbildung quer durch die Küche Europas mit arabischen Einflüssen.

Ohne die SBR wäre nie soweit gekommen

Aber was auf dem Teller goutiert wird, erkennt die Branche nicht uneingeschränkt an. „Ich merkte, dass ich eine fundierte Ausbildung und einen anerkannten Abschluss brauchte“, sagt Kamiran Mahmud und strahlt plötzlich. Denn nun kommt die Rede unweigerlich auf die SBR. Gemeint ist die gemeinnützige Gesellschaft für Schulung und berufliche Reintegration von Menschen, die am Arbeitsmarkt benachteiligt sind. SBR-Chef Manfred Kaul nahm den Syrer unter seine Fittiche und ermöglichte ihm die Ausbildung zum Koch. „Dafür bin ich ihm heute noch sehr dankbar“, sagt Kamiran Mahmud und zahlt diesen Dank täglich zurück. Mit ihm als Koch hat das vom SBR betriebene Tempus eine neue Dimension gewonnen. Qualitativ und Quantitativ. „Meine Stärke ist, dass ich in der Küche alles kann und nun meine Leidenschaft lebe.“ Und er kann das, was ihn schon kurz nach seiner Ankunft auszeichnete: Kamiran Mahmud kann malochen. „Wenn’s brennt 15 Stunden am Stück“, wie er behauptet, „Kochen ist mein Leben.“

Und doch ist es das Leben eines Entwurzelten. Ein Leben fernab der Heimat. „Die ersten drei Jahre waren schwer, da hatte ich Heimweh. Aber nun, da ich hier eine Familie gegründet habe und einen tollen Job habe, ist Deutschland meine Heimat“, sagt Mahmud, der sich keinen Illusionen hingibt: „Als Kurde hätte ich nirgendwo eine echte Heimat. Ob in Syrien, der Türkei oder dem Irak. Dort dürften wir nicht mal atmen.“ So gesehen, sei das neue Leben von Mahmud in Frieden, Freiheit und frei von Angst von „unschätzbarem Wert“. Es ist eine richtig gute Geschichte. Aber eben kein Märchen aus 1000 und einer Nacht.