Ein Taubenschlag, zwei Tauben, fünf Taubenfreundinnen Foto: red

Mit zwei Jahren Verspätung ist ein Taubenschlag eröffnet worden, der den abgerissenen im Hauptbahnhof ersetzt. Entstanden ist er in der Schreinerei der Caritas, die auch Betreuungspersonal stellt.

S-Mitte - Aus dem Mund einer Tierschützerin klingt der Satz merkwürdig: „Mir wäre es lieber, man würde sie noch essen“, sagt Silvie Brucklacher-Gunzenhäußer. Sie meint die Tauben und ist die Taubenschutzbeauftragte des Tierschutzvereins. Sie steht auf dem Dach des Stadtlabors an der Kriegsbergstraße 30, kaum mehr als einen Steinwurf entfernt vom Hauptbahnhof oder besser: nur wenige Flügelschläge entfernt. Denn auf dem Dach beim Bahnhof ist mit vergleichsweise großem Bahnhof am Mittwoch ein neuer Taubenschlag eingeweiht worden. Entstanden ist er in der Schreinerei der Caritas, die auch Betreuungspersonal stellt. Der Schlag ersetzt denjenigen, in dem die Tiere bis 2013 am Gleisende nisteten.

Eben weil sich aus ihnen ein schmackhafter Braten zubereiten lässt, hat einst „der Mensch die Taube in die Stadt geholt“, sagt Brucklacher-Gunzenhäußer. Aber um einen modernen Wohlstandsbauch zu sättigen, sind die Vögel zu klein. Einmal davon abgesehen, dass so gut wie jeder Bundesbürger einen Taubenbraten angeekelt von sich schieben würde, aus Angst, der Verzehr einer so verschrieenen Ratte der Lüfte würde ihn erkranken lassen. Es sei denn womöglich ein Kundiger unter den Feinschmeckern, denn ein Brathuhn birgt exakt dieselben Gefahren. Dass Tauben Krankheiten übertragen, ist gemäß Bundesgesundheitsbehörden widerlegt.

Tauben haben sich ungehindert vermehrt

Vor allem, weil diese Mär sich trotzdem hartnäckig hält, „hat es zwei Jahre gedauert, bis wir diesen Ersatzstandort gefunden haben“, sagt Brucklacher-Gunzenhäußer. Beim nächsten Abriss eines Taubenturms müsse der Übergang nahtlos sein. Gleiches fordert Veronika Kienzle, die Bezirksvorsteherin der Stadtmitte. Schlicht, weil während jener zwei Jahre die Bahnhofstauben sich ungehindert vermehrt haben. Neben dem Tierschutz ist der tiefere Sinn von Taubenschlägen, Nachwuchs zu verhindern. Freiwillige Helfer ersetzen in den Nistkästen die Eier gegen Gipsattrappen.

Der Gedanke, dass dies die einfachste Art ist, das viel beklagte Taubenproblem zu lösen, scheint sich inzwischen auch im Rathaus durchzusetzen. Seit März beschäftigt die Stadt eine Taubenbeauftragte im Ordnungsamt, namentlich Pia Jungbauer. Sie ist an drei Tagen in der Woche Ansprechpartnerin für alle Fragen rund ums Federvieh – und laut Brucklacher-Gunzenhäußer eine engagierte. Jungbauers einstiger Vorgänger ward nach Aussagen ehrenamtlicher Taubenschützer allenfalls bei einer Handvoll Versammlungen gesehen. In diesem Sinne dankte Dorothea Koller, die Leiterin des Ordnungsamts, „allen Beteiligten dafür, dass sie die Geduld mit der Verwaltung nicht verloren haben“.

Diese Geduld wird womöglich beim nächsten Abriss eines Taubenschlages wieder erprobt. Es wird derjenige auf dem Dach der Rathausgarage sein, die einem Neubau weicht. Der Bezirksbeirat Mitte hatte bereits einen Standort auf einem benachbarten städtischen Gebäude vorgeschlagen. Bürgermeister Michael Föll lehnte ab, unter anderem wegen gesundheitlicher Bedenken. Sieben betreute Schläge gibt es inzwischen in der Stadt, bis hinaus nach Feuerbach. In ihnen, schätzt Brucklacher-Gunzenhäußer, werden rund 1500 Tauben gehütet. Um die 10 000 leben nach ihrer Schätzung in Stuttgart.